Hat sich nicht jeder schon mal gefragt wer von seinen Lieblings Charakteren in einem imaginären Kampf die Oberhand hätte? Dieser Gedanke feuert die Fighting Game Community seit jeher an. Und vom zweiten bis vierten August wird wieder das größte Turnier, die Evolution Championship Series (kurz Evo), die Antworten liefern, wer denn nun der beste im virtuellen Zweikampf ist. Im Hauptturnier vertreten sind dieses Jahr die Spiele: Street Fighter 5 Arcade Edition, Tekken 7, Mortal Kombat 11, Super Smash Bros. Ultimate, Dragon Ball FighterZ, Samurai Shodown, BlazBlue Cross Tag Battle, Under Night In-Birth Exe: Late[st] und Soul Calibur 6. Letzteres hatte mich vor allem mit einem seiner DLC Charaktere verwundert. 2B aus Nier Automata ist in Soul Calibur 6 spielbar. Wer mit den beiden Franchises bekannt ist, dem wird auffallen, wie komisch diese Kombination ist. Eine Androidin aus dem Jahre 11945 tritt gegen Ritter, Samurai und andere Kämpfer aus dem 16. Jahrhundert an? Warum eigentlich nicht. Und wenn man schon dabei ist, wirft man doch gleich noch Geralt aus dem Witcher Universum mit rein. Erklärungen im Storykontext bleiben dabei logischerweise etwas auf der Strecke. Doch es gibt auch andere Arten von Crossovers in Fighting Games, die das Vermischen mehrerer Welten etwas unterschiedlich angehen.

Shared Universes

Angefangen in den 90ern baute sich SNK ein eigenes Universum zwischen ihren Spielen auf. Damals noch aktiver und erfolgreicher kamen die japanischen Entwicklern auf die Idee, dass man doch die Charaktere ihrer Spiele einfach in einem Turnier gegeneinander antreten lassen könnte. Mit mehreren Figuren aus Fatal Fury, Art of Fighting, Samurai Shodown oder Garou: Mark of the Wolves wurde schließlich die Charakterauswahl für King of Fighters kreiert. Die Geschichten der Charaktere vermischten sich und führten sich auf neuer Ebene fort. Schon bald wurde das 2D Fighting Game SNKs neues Aushängeschild. Mit bisher 14 Teilen und aktuellen Spin Offs, wie SNK Heroins Tag Team Frenzy, ist SNK immer noch in ihrem eigenen Kosmos aktiv.

Ein bekannteres Beispiel dieses Crossover Ansatzes ist das Street Fighter Franchise. Vielen unbewusst, stammen auch hier nicht alle Charaktere aus ausschließlich eigenen Teilen der Serie. Man nehme z.B. Hugo und Poison. Diese beiden kommen ursprünglich aus dem Beat´em Up Final Fight und wurden erst zu Street Fighter 3: Second Impact (Hugo) oder Ultra Street Fighter 4 (Poison) ins Spiel eingebaut. Außerdem gibt es noch Sakura aus einer Capcom Marke von 1997: Rival Schools: United by Fate. Weitere Charaktere, wie im Stage Hintergrund von Street Fighter 5 beweisen die geteilte Welt noch mehr.

Auch aufgrund dessen, dass viele Charaktere erst später durch neuere Versionen mit den ganzen Super, Ultra, Alpha, EX, Turbo, Arcade Editions (ja, die gibt es wirklich alle) hinzugefügt werden bzw. wurden, zeigt wie groß das Street Fighter Universum doch eigentlich ist.

Im Falle von Street Fighter und King of Fighters war es also ein organisches Heranwachsen über einen längeren Zeitraum. Somit wirken die Charaktere glaubwürdig in ihrer Welt und passen zueinander. Auch in ihren Geschichten scheint nicht vieles zu weit hergeholt oder unlogisch für die Maßstäbe des eigenen Universums zu sein. Wie dumm sehe das denn bitte aus, wenn ein schwebendes Alien mit riesigem Kopf gegen den Gott der Sonne in Form eines Wolfs kämpft und dazu noch ein nordischer Gott einen Anwalt verprügelt? Dem einen oder anderen mag dies jedoch bekannt vorkommen.

VS Games und Super Smash Bros.

Um seine wildesten What If Dream Matches auch austragen zu können, gibt es auch Fighting Games, die vor keinem auch so abwegigen Crossover zurückscheuen: Marvel VS Capcom, SNK VS Capcom, Tatsunoko VS Capcom, Street Fighter X Tekken, Mortal Kombat VS DC Universe und und und. Manchmal treffen auch mehrere Welten aufeinander, wie zum Beispiel in BlazBlue Cross Tag Battle. Hier finden sich Charaktere aus BlazBlue, Persona, Under Night In Birth, RWBY und Arcana Heart wieder. Hier treffen Welten aufeinander und auch Kooperationen aus mehreren Studios sind daher kein Einzelfall.

Wird diese Idee nun auf die Spitze getrieben erhält man Super Smash Bros. Eine Reihe, die mit den kommen DLC Charakteren im neuesten Teil auf 75 Figuren aus bisher 35 verschiedenen Franchises das bis dato größte Crossover Game aller Zeiten ist. Nachahmer, wie Sony Playstation All-Stars Battle Royale folgten.

Diese Konzepte sind der Gipfel des Crossovers und machen nicht halt vor irgendwelchen an den Haaren herbei gezogenen Erklärungen, wie es denn zustande kam, dass nun ein Zombie-Fotograf gegen einen Alien-Waschbär kämpft. Diese Spiele stellen den Spaß an dem wirren Mischmasch in den Vordergrund. Hier kann man seine Nerddebatten ausleben und die What If Storys, die schon seit jeher im Kopf kursieren, wahr werden lassen.

Anime

Da Fighting Games vorherrschend aus Japan kommen, liegt der Gedanke der landeseigenen Adaption von Manga und Anime nicht weit entfernt. Warum sollte man nicht also auch Charaktere aus Dragonball, One Piece und Naruto gegeneinander kämpfen lassen, wenn vor westlichen Superhelden auch nicht zurückgeschreckt wird? Das wurde schon 2006 versucht. Mit Battle Stadium D. O. N. für PS2 und Gamecube wurde sich wieder ein Beispiel am Smash Bros. Prinzip genommen und die Manga und Anime Giganten konnten aufeinander los gehetzt werden. Dieses Spiel erschien zwar nur in Japan, legte jedoch den Grundstein für ein noch größeres Projekt. Mit J-Stars Victory VS erschien 2015 auch im Westen ein riesiges Crossover, dass viele Charaktere aus allen möglichen großen Shounen Jump Mangas zur Auswahl hatte. Zur Feier des vierzigsten Jubiläums des beliebtesten japanischen Wochenmagazins wurde ein Best of Cast aus Charakteren erstellt. Neben den bereits erwähnten Franchises fanden sich auch beliebte Figuren aus Jojo’s Bizarre Adventure, Fist of the Northstar, Hunter x Hunter, Bleach oder Yu Yu Hakusho, nur um einige zu nennen.

Inoffiziell weitergeführt wurde die Reihe vom diesjährigen Jump Force, dass sich sowohl Konzept, wie auch ähnliches Gameplay und Entwickler, Spike Chunsoft, teilt. Hier gilt das gleiche Prinzip wie zuvor. Die Storyzusammenhänge sind Nebensache. Der Reiz ist, dass jeder Fan seine liebsten Anime und Manga Figuren gegeneinander antreten lassen kann. Und solange die IPs mit dem nötigen Respekt originalgetreu umgesetzt werden, kann man die halbherzige Story auch verschmerzen.

Gast Charaktere

Nicht ganz so subtil wie bei den geteilten Universen, aber auch nicht so auf die Nase gedrückt, wie in den direkten VS Games, sind Gastcharaktere. Hier wird das Hauptspiel nicht komplett von dem Crossover Gedanken beherrscht. Meist an einer Hand abzuzählen, sind Gastcharaktere eher ein kleiner Bonus für Fans. Dieses Modell hat sich jedoch im Laufe der Zeit etwas verändert.

Dazu wieder zurück zu dem eingangs erwähnten Soul Calibur. Schon seit Anfang an ist die Serie für viele ikonische Gast Charaktere aus der Pop Kultur bekannt. Zu Beginn noch schlicht mit Yoshimitsu aus der Tekken Reihe, der immer öfters zurückkam und irgendwann ein fester Bestandteil, ähnlich wie bei Street Fighter, wurde. In Teil zwei hat man sich jedoch etwas Neues einfallen lassen. Je nach Konsolenfassung hatten die Spieler andere Figuren zur Auswahl. Link (Zelda) für Gamecube, Spawn für Xbox und Heihachi (Tekken) für Playstation 2. Dieser Trend setzte sich in Teil vier fort. Es folgten Star Wars Figuren: Yoda für Xbox 360, Darth Vader für PS3 und ein freischaltbarer Starkiller aus den The Force Unleashed Spielen. Das war übrigens auch das erste Erscheinen von Star Wars Charakteren in einem japanischen Spiel. In Soul Calibur 5 gab es daraufhin mit Ezio Auditore da Firenze aus Assassin’s Creed jedoch nur noch einen Gast. Der aktuellste sechste 3D Fighter brachte uns den Witcher Geralt von Riva. Und mit dem DLC von 2B aus Nier Automata, zeichnete sich ein wiederkehrender Trend in Fighting Games erneut ab. Seit ein paar Jahren setzten die Vermarktungsstrategen immer mehr auf Season Pässe und DLC Konzepte. Dies bringt aber auch seine Nachteile mit sich. Auch das Genre der Fighting Games wurde von Season Pass Ankündigungen schon vor dem Release eines Spieles nicht verschont. Somit wurde aber der Gedanke von Gast Charakteren auch weitergeführt. Einen großen Beitrag dazu leisteten Netherrealm Studios. Die Mortal Kombat Entwickler fuhren, mit Kratos aus God of War und Freddy Krüger aus der Nightmare on Elm Street Horrorfilmreihe in Mortal Kombat 9, viel Lob ein. Also warum dort aufhören?

Ein ganzes Film-themed Pack im zehnten Teil war die Schlussfolgerung. Mit dem Predator, Alien, Leatherface (Texas Chainsaw Massacre) und Jason Vorhees (Freitag der 13.) waren nun keine Grenzen mehr gesetzt und es kam auch gut an.

Ein anderes ebenfalls positiv aufgefasstes DLC Modell lieferten Retro Games mit Killer Instinct. Hierbei wurde auf eine Art von Free-To-Play System zurückgegriffen, dass es unter den Fighting Games besonders macht. Wenn man sich mit nur wenigen Charakteren zufrieden gibt, ist das Spiel umsonst. Dann wird jede zwei Wochen zwischen einem erhältlichen Charakter gewechselt. Will man jedoch mehr, können die Kämpfer einzeln oder in Packs bzw. Seasons dazu gekauft werden. Auf Gastcharaktere wurde hier natürlich auch nicht verzichtet. So kam es dazu, dass es irgendwann auch Rash aus den Battletoads, den Gebieter aus Halo oder Raam aus Gears of War zu spielen gab. Hier wird dem Käufer also von Anfang an eine freie Wahl gelassen, wie viel man für Killer Instinct ausgeben bzw. von haben will.

Weiterhin gibt es auch Beispiele an Gastcharakteren, die auch einigermaßen sinnvoll in die Story mit eingewoben werden. Ich rede hierbei von Akuma aus der Street Fighter Reihe, der in Tekken 7 von Anfang an integriert war und bei vielen sehr beliebt war. Die Implementierung war so gut, dass Akuma von einigen mehr gemocht wurde, als in seinem Herkunftsspiel. Und auch die Schreie nach dem seit 2010 angekündigten Tekken X Street Fighter wurden wieder laut. Der erste DLC gefiel auch. Mit Geese Howard aus dem King of Fighters Universum wurde wieder eine gute Adaption geschaffen. Aber dann fragte man sich was den Noctis aus Final Fantasy XV oder Negan aus The Walking Dead im Tekken Universum zu suchen haben. In ihrem Kontext wurde die Storyverknüpfung wieder über Bord geworfen.Weitere Verwirrung gab es beim ebenfalls von Netherrealm Studios entwickelten Injustice. Warum sollte man mit Scorpion den Poster Boy aus Mortal Kombat in einen DC Prügler hineinpacken? Storygründe hatte das auf keinen Fall. Und auch im zweiten Superhelden Fighting Game hatten einige nur Fragezeichen über dem Kopf, als auf einmal Raiden und Sub-Zero auch wieder aus Mortal Kombat als DLC angeboten wurde. An sich wird ja niemand zum Kauf gezwungen, aber warum Charaktere aus anderen Spielen inkludieren, wenn man auch neue DC Helden hätte benutzen können? Wenn man zu Mortal Kombat Charakteren greifen will, könnte man schließlich einfach das Spiel direkt spielen und müsste nicht zu Injustice 2 greifen. Die interessanten Experimente mit Hellboy oder den vier Ninja Turtles, spielbar in einem einzigen Charakter, machten es aufgrund ihrer Comic Herkunft zwar besser, aber warfen ähnliche Fragen auf.

Gast Charaktere werden immer ausgefallener und wirken entweder nach den wildesten Träumen der Entwickler oder als Lockversuche neue Fans zu gewinnen. Das entpuppt sich jedoch als zweischneidiges Schwert. Einerseits werden potentiell neue Käufer angeworben, andererseits müssen Fanfavourites ihren DLC Platz an Gastcharaktere abtreten.

Einige Fans fühlen sich sogar vor den Kopf gestoßen, da so geliebten Charakteren aus der jeweiligen Spielereihe eine mögliche Rückkehr verwehrt bleibt. Üblicherweise schaffen es nämlich nicht immer alle Kämpfer in das nächste Spiel hinein und nur eine Auswahl kommt zurück. Einige Charaktere werden sogar seit mehreren Teilen von Fans vermisst. Im übertragenen Sinne werden somit die möglichen Season Pass Slots Charakteren zugeschrieben, die eigentlich nicht mal zur Debatte stehen sollten, da sie gar nicht zu diesem Universum gehören. Natürlich könnte man den sich aufregenden Leuten nun raten, dass sie sich den Season Pass oder gar das Spiel doch nicht kaufen müssen. Aber will ein Fan wirklich gerne einen Teil einer geliebten Reihe auslassen nur weil ein paar Charaktere stören? Wahrscheinlich nicht. Andere würden sogar so weit gehen den Season Pass voller Vorfreude auf die Comebacks alter Lieblinge sofort zu kaufen, nur um dann bei jeder Enthüllung des nächsten Charakters enttäuscht zu werden. An dem bereits erwähnten Tekken 7 oder anfangs angesprochenen Soul Calibur 6 kann man das z.b. feststellen. Tekken war nie bekannt viele Gastcharaktere zu haben und hat nun insgesamt vier Charakterslots an Figuren außerhalb des Franchises abgegeben.

Schlussendlich kann man sagen, dass eine Entwicklung wie bei Street Fighter und King of Fighters heute nicht mehr denkbar ist. Die Spiele werden in einer viel kleineren Frequenz veröffentlicht und andere nicht etablierte Universen würden wahrscheinlich gar nicht so weit kommen, wie diese Klassiker des Genres. Deshalb wird dann eher zu kompletten Crossover VS Games im Sinne von Marvel vs Capcom oder Super Smash Bros. gegriffen. Entscheidet sich ein Unternehmen jedoch für nur einzelne Gast Charaktere, sollte der Kauf eines Season Passes bei den Fans gut überlegt sein. Jeder muss sich im Klaren sein, dass heutzutage völlig unerwartete Charaktere kommen können, die nicht mal etwas mit der Spielereihe zu tun haben müssen. Nichtsdestotrotz ist die Fighting Game Community sehr unterstützend und feiert teils auch die Absurdität vor derer sich die Entwickler und Publisher nun anscheinend nicht mehr scheuen. Auf so obskure Ideen, wie Gender Bender Charaktere mit einem weiblichen Terry Bogard in SNK Heroines Tag Team Frenzy, will ich dann auch nicht verzichten. Größtenteils werden die verrückten Ideen der Entwickler gut angenommen und bei anständig ausgefeilten Movesets, fällt das Beschweren zunehmend schwerer. Und wenn damit neue Leute zu Fighting Games gebracht werden können, dann umso besser. Vielleicht erleichtert das einigen sogar den Einstieg in das Genre. Und wenn ihr einige der genannten Spiele mal in Action sehen wollt, dann schaut doch mal bei den Evo 2019 Streams rein und seht selber solch absurde Kämpfe wie Negan, der gegen einen Panda antritt.