Es wird Sommer! Endlich! So viele positive Seiten dies auch haben kann, hinterlässt es gerade in den Herzen der Serienfans immer einen kleinen Stich: Die Sommerpause naht. Derzeit liegen viele der aktuellen Serien in ihren letzten Zügen, streben auf das Staffelfinale zu oder sind vielleicht sogar schon durch. Und spätestens in ein paar Wochen wird es soweit sein, das Sommerloch öffnet sich und wir fallen erst einmal tief in einen Serien-Hangover. Der lässt sich einerseits mit Glück durch das gute Wetter irgendwie ertragbar machen und überbrücken, und auch im Kino erwartet uns im Sommer der eine oder andere Leckerbissen. Doch was tun, wenn das Geld fürs 3D Kino mal wieder fehlt und der Biergarten hoffnungslos überfüllt ist? Die Antwort darauf lässt sich gerade bei Serienfans meistens schnell finden: Nochmal anschauen!


Dass das nicht nur eine Möglichkeit für Serienfans ist, sondern auch für jeden anderen Filmliebhaber zeigt sich in einem doch recht bekannten Phänomen: Ich erinnere mich noch sehr gut daran, Inception gesehen zu haben. Toller Film! Aber die einzelnen Details gehen mir in der Erinnerung doch so langsam ab, irgendwie ist der Gesamteindruck noch da, aber die Einzelheiten sind schon weg. Da hilft nur eins: Nochmal anschauen. Man tendiert dann recht schnell dazu, sich Listen zu machen von Filmen und Serien, die man gerne nochmal ansehen würde oder auch von solchen, die man peinlicherweise noch nie gesehen hat. Die Problematik dieser Listen liegt zumeist darin, dass sie stetig länger und nie kürzer werden, es fällt einem halt immer wieder etwas neues ein. Und dann stellt sich natürlich direkt die Frage, womit nun eigentlich anfangen? Wie kategorisieren wir das ganze? Genre? Unterhaltungsgrad?


Eine Möglichkeit, nicht nur für solche, die ohnehin schon einen Fable dafür entwickelt haben, ist, sich Filme, Serien oder auch Spiele einmal hinsichtlich der auditiven Ebene anzuschauen. Das beinhaltet nicht nur einen monumentalen Super-Soundtrack, sondern vor allem auch das häufig etwas vergessene oder wenig beachtete Sound Design, das einen essenziellen Anteil zum Erlebnis liefert und es definitiv wert ist, dass mal ein genauerer Blick darauf geworfen wird. Ich stelle euch heute also eine kleine, aufgrund der Fülle doch recht unvollständige Liste, an Filmen und Serien vor, die vor allem auf auditiver Ebene auffallen. Wer jetzt eine „meine 10 Lieblings Filmmusiken“-Liste erwartet wird leider enttäuscht werden, nichts desto trotz spielt natürlich auch Musik eine wichtige Rolle.

Star Wars

Ja wer hätte das gedacht, anscheinend darf Star Wars nie in irgendeiner Liste fehlen. In diesem Fall hätte ich tatsächlich den einen oder anderen monumentalen „Klassiker“, der sich sowieso überall wiederfindet, vermieden, um euch mal ein paar weniger bekannte Leckerbissen zu präsentieren. Leider (oder eigentlich zum Glück!) lässt sich die Rolle, die Star Wars im Bereich des Sounds in der Filmgeschichte einnimmt, nicht mal im Ansatz ignorieren. Neben Special Effects und dem detaillierten Aufbau der Welt fällt einem auf auditiver Ebene zuerst John Williams Filmmusik ein – monumental, episch und wer wollte nicht schon immer mal zum Imperialen Marsch einen Raum betreten! Allerdings möchte ich an dieser Stelle eine kurze Lobhudelei auf Ben Burtt, den Sound Designer starten. Gerade der Science Fiction und Fantasy Bereich der Filmwelt der 60er und 70er stürzte sich auf elektronisch generierte Sounds und Archivmaterial, was gerne zu einer gewissen Einseitigkeit führte. Burtt hingegen schnappte sich ein tragbares Aufnahmegerät und nahm so zahlreiche Sounds aus der Alltagswelt der 70er auf, die anschließend über Abmischung, Wiederaufnahmen und Bearbeitung zu den mittlerweile so bekannten Sounds in Star Wars wurden. Damit entstand das Prinzip einer „used future“ – die Gestaltung eines futuristischen Alltagsklangs über Soundmaterial aus der Gegenwart. Wer hätte gedacht, dass das Rumpeln der imperialen Raumschiffe grundliegend auf eine kaputte Klimaanlage zurückzuführen ist?

Das Sound Design in Star Wars zeichnet sich aber nicht nur durch den Bezug zu seinen ursprünglichen Objekten aus, sondern gleichzeitig durch narrative Eigenschaften. Burtt schafft es, den Zuschauer innerhalb der Filmwelt zu positionieren, ohne dass es diesem auffällt. Die Schiffe der Rebellen  Brummen beispielsweise eher in mittelfrequentierten Lagen, während die imperialen Raumschiffe wesentlich basslastiger klingen und damit direkt deutlich machen, zu welchem Lager sie eigentlich gehören. Gleiches gilt für die Lichtschwerter – Obi-Wan Kenobis Lichtschwer surrt in einer anderen (Dur-)Tonlage als das von Darth Vader, das in Moll surrt. Treffen die beiden aufeinander ergibt sich eine Dissonanz, die das Kampferlebnis noch verstärkt. Und wenn wir einmal an Chewbacca denken – abgesehen von den Leuten im Universum versteht den eigentlich keiner. Oder doch? Wir wissen zwar nicht genau, was er sagt, aber so ziemlich, was er meint. Sich Star Wars hinsichtlich des Sound Designs noch einmal anzusehen ist also ein absolutes Muss! Und da kann man sogar den Prequels noch etwas abgewinnen: Das Podrace des ersten Films kommt fast gänzlich ohne Musik und nur durch Sound aus und der Sound Effect der Seismischen Bomben in Episode II ist einfach umwerfend! (findet übrigens auch Obi-Wan)

Tron

Wir befinden uns mitten in der frühen Zeit der Heimcomputer und Tron springt hier genau in die Ecke der Fragen und vielleicht auch der Angst älterer Generationen bezüglich sämtlicher Möglichkeiten solcher Maschinen. Was, wenn sie ein Eigenleben entwickeln? Was, wenn der User nicht mehr ‚raus‘ kommt (und das in diesem Fall auch noch wörtlich)? Dass wir hier einen klassischen SciFi-Film der 80er haben, ist klar. Dass dieser auf der Sound Ebene nach Besonderheiten schreit, ist auch klar – immerhin gilt es, die Innenwelt eines Computers zu vertonen. Wie das im Einzelnen geschieht, überlasse ich eurer Erfahrung. Ich sage nur: Lightbike Race. WROOOOOMMMM.

THX 1138

Dieser Film muss sich in so einer Liste befinden! Sechs Jahre vor Star Wars hat sich George Lucas hier schon einmal in der Science Fiction ausgetobt, diesmal mit Walter Murch als Sound Designer an seiner Seite, der später unter anderem für seine Arbeit an Apocalypse Now bekannt wurde. Innovatives Ziel war es, den Mittelpunkt der auditiven Ebene auf das Sound Design und nicht die Musik zu legen. Musik sollte so zum Sound werden und Sound zur Musik. Das Ergebnis gibt das Gefühl, auf der Soundebene einen zweiten, beinahe unabhängigen Film neben dem in der Handlung zu sehen. Und damit wird er vielleicht zur Pflicht für Audiophile, auf jeden Fall aber zum Erlebnis für alle!

Invasion of the Body Snatchers

Noch ein Science-Fiction-Film. (Die eignen sich einfach viel zu gut!) Noch einmal Ben Burtt! Da es mittlerweile drei Filmversionen des Buches gibt, konzentriere ich mich kurz auf den von 1978. Die Story des Filmes ist ein typischer SciFi-Horrorfilm: Alien-Parasiten kopieren die Körper von Menschen und tauschen so langsam aber stetig die menschliche Rasse aus. Und wir verfolgen eine Gruppe Wagemutiger, die dem entkommen wollen. Was diesen Film so außergewöhnlich macht, ist erneut das Auditive. Im Laufe des Filmes nimmt der musikalische Anteil stetig ab, während das Sound Design langsam Überhand gewinnt. Und zu wissen, dass beispielsweise der Herzschlag, der uns über den Film hinweg verfolgt, vom Ultraschall von Burtts schwangerer Frau stammt, macht es nicht zwingend leichter. Der einprägsamste Sound ist wohl der „Schrei“ der Body Snatcher, der uns gerade am Ende des Films verstört zurück lässt.

Blue Velvet

Damit ihr euch jetzt nicht fragt, ob ich nur SciFi-Filme schaue, hier mal etwas anderes. David Lynch ist ein Name, der hier natürlich auch genannt werden muss. Welches seiner Werke man sich bezüglich der Audio anschaut ist schwierig, eigentlich alle, ich habe mich für Blue Velvet entscheiden. Hier finden wir einen hervorragenden Mix aus expressivem Sound Design und wunderbarer Musikauswahl. Gerade die Musik hat hier noch eine eigene narrative Ebene – dadurch, dass sämtliche Musik des Filmes prä-existent ist, bringt jeder musikalische Anteil eine Fülle von Assoziationen und kulturellen Codes mit sich, die den Film anreichern und kommentieren. Es lohnt sich folglich, einmal ein besonderes Augenmerk (oder eher Ohrenmerk) darauf zu richten. Gleiches gilt übrigens für Tarantino Filme.

Sherlock Holmes

Persönlich lasse ich an Hans Zimmer und seiner Filmmusik selten ein gutes Haar, was in diesen beiden Filmen, von denen der zweite teilweise nicht ganz so gut ankam, allerdings eine positive Ausnahme von der Regel ist. Zimmer, der musikalisch sonst gerne mit atmosphärischen Klängen arbeitet, widmet sich hier ausnahmsweise mal einer ausgefeilten motivischen Gestaltung, die sich durch beide Filme hindurch zieht und entwickelt. Meine musikalische Lieblingsszene findet sich jedoch im zweiten Film: die Opernszene. Hier schafft Zimmer es, seine motivische Komposition in die von Mozarts Don Giovanni einzuflechten und beides miteinander zu verweben, wodurch die Szene ein massives, bedeutungsschwangeres Gewicht erhält. Frei nach Zimmers Prinzip, nicht das Bild klanglich zu unterstützen, sondern ihm einen Subtext hinzuzufügen, führt die Auswahl des Abschnittes von Don Giovanni dem Kenner der Szene zusätzliche Informationen zu. Das Besondere ist hier, dass die prä-existente Musik nicht nur abgespielt wird, um ihre kulturellen Codes in die Szene zu bringen, wie man es sonst häufig beobachtet. Sie wird in die Filmmusik integriert und entwickelt so eine ganz eigene kommentierende Ästhetik. Eine passendere Musik hätte zur entsprechenden Szene nicht gefunden werden können.

Hannibal

Kommen wir nun zu den Serien. Das könnte weit führen, ich habe mir zwei klangliche und musikalische Favoriten von mir herausgepickt. Hannibal ist nicht nur inhaltlich, in der visuellen und dramaturgischen Konzeption ein wahres Meisterwerk, das durch die beiden Hauptdarsteller Mads Mikkelsen und Hugh Dancy intensiv angereichert wird. Das Auditive der Serie fällt vor allem durch einen Mangel an typischer Musik auf. Die Serie wird vielmehr über Klänge und Geräusche gestaltet, die durch ihre kompositorische Anordnung zu Musik werden. Und je verwirrender die Serie, desto verwirrender der Sound. Das wird zusätzlich erneut prä-existenter Musik gegenüber gestellt, am liebsten bezüglich Hannibal, der zu Hause nette Cembalo-Musik hört, die harmonisch, stimmig und vor allem geplant erscheint. Ganz anders das Sound Design der Serie: hier erscheint nichts harmonisch, stimmig oder geplant. Das Tolle ist: Je diffuser das Sound Design, desto penibler ist es in der Regel geplant.

Dexter

Das Finale der Serie ist nun schon eine Weile her und hat die Fans mit sehr gemischten Gefühlen zurück gelassen. Da wäre es doch eigentlich mal Zeit, noch einmal von vorne zu beginnen und mit dem Hintergrundwissen dessen, was an Informationen gerade über Dexter nach und nach vergeben wird, seine Entwicklung noch einmal mitzuverfolgen. Wenn man sich dabei noch auf das Auditive konzentriert, wird einem schnell klar: Da wird vorgegriffen. Die musikalischen Motive werden mit jedem Erscheinen an Inhalte geknüpft und können damit in die Zukunft oder Vergangenheit verweisen. Zudem lohnt es sich darauf zu achten, wann lateinamerikanische Musik genutzt wird und wann lediglich ein düsteres Säuseln mit elektronischen Klängen gemixt wird. Ich will hier einfach mal nicht zu sehr vorgreifen.

An dieser Stelle würde sich natürlich etwas über Games oder vor allem auch Horror-Games anbieten, die in Punkto Sound und Musik überragend sein können, denken wir doch nur an Dead Space, F.E.A.R. oder auch Silent Hill. Letzteres war vom Sound so beliebt, dass die Produzenten für die Adaption ins Kino gleich den Komponisten der Games, Akira Yamaoka, mit ins Boot holten. Aber das ist ein Thema für einen anderen Artikel.

Wenn ich euch jetzt ein wenig auf den Geschmack gebracht habe und ihr euch denkt „Mehr!“, kann ich euch grundsätzlich gerade im Bezug auf Sounds die Werke von Walter Murch und Ben Burtt, Godfathers of Sound Design, in Gänze ans Herz legen.