Oder „Ich scheiß drauf, was normale Menschen tun.“

Wie sich Leute abmühen miteinander auszukommen, Beziehungen einzugehen und wie eigenartig diese Versuche sein können, zeigen die vielen Sonderlinge in Petr Zelenkas schwarzer Komödie.

Lakonischer Humor, absurde Dialoge und ein schnelles Tempo machen die Intensität und den Charme des Stückes aus. Das Abschlussprojekt von Benno Scheler und Cindy Mikosch ist schon bei Betreten des Theatersaals nicht ganz normal: Tische mit Stühlen stehen dort, wo normalerweise die Stuhlreihen für das Publikum aufgereiht sind. Gehören die nun zum Metier der Schauspieler oder zu dem der Zuschauer? Die vielen Erdnussschälchen bringen Gewissheit. Nicht weniger sonderbar erscheint die Wohnung des Protagonisten Petr: Ein Bett aus unzähligen Zeitungsartikeln, daneben ein Kasten Bier und ein Telefon. Dementsprechend skurril ist seine Welt:

„Nächtens zu Jana schleichen, ihr eine Locke abschneiden, sie in Milch aufkochen; dann trocknen, zusammen mit Apfelbaumlaub verbrennen und die Asche dort verstreuen, wo du Jana kennen gelernt hast.“ Das ist, so Petrs Freund Mücke, das Ritual, mit dem Petr seine Ex-Freundin Jana garantiert zurückgewinnt. Unglücklicherweise gerät Petr bei der nächtlichen Aktion an Janas Tante. Jana aber, will Ales heiraten, weil er der Einzige von 20 Telefonzellenbesuchern und späteren Sexpartnern ist, der daran glaubt, dass ihr nächtlicher Anruf in „seiner“ Telefonzelle, tatsächlich magisch ist: „Als würde dich der Schöpfer des Universums persönlich anrufen.“

Mücke selbst treibt es mit dem Staubsauger und verliebt sich vor lauter Einsamkeit in eine Schaufensterpuppe, „ein Engel mit Echtherzzertifikat, kein Schrottengel“, welche ihm sein Selbstwertgefühl zurückgibt. Sein Vater ein ehemaliger Wochenschau-Sprecher, lernt durch einen zufälligen Anruf Sylvie kennen, die seinen Kopf aus Ton modelliert und ihn mit auf Partys nimmt, wo er aus den Wochenschauen der 70er Jahre zitiert. Die Mutter sorgt sich um Petrs Wohl und das Elend in Tschetschenien und Georgien, das sie mit unzähligen Blutspenden zu bekämpfen versucht.

Petrs Nachbarn, Jiri und Alice entdecken, dass Petrs Augen nicht tot in „Schlupfkuchenteig“ versinken, sondern stimulierend beim Sex wirken, was ihm einen neuen Nebenjob beschert. Zuletzt ist da noch Petrs Chef, der auf kleine Jungen steht und findet, dass Petr das wissen sollte.

Schrottengel sind 150 Minuten gute Unterhaltung, nicht ohne Melancholie. Die einzelnen Charaktere, die gut bis vortrefflich gespielt werden, machen die lange Dauer nicht zur „Auf-die-Uhr-Schau-Qual“: Ihr Kampf gegen Einsamkeit und Verlorenheit, ihre Suche nach Liebe und Anerkennung, hält die Spannung und Aufmerksamkeit bis zum Ende. Es ist bitter komisch und gleichzeitig bezaubernd zu sehen, wie sich die Wege aus ihren Dilemmata gestalten.

Je „verrückter“ sie dabei werden, umso glücklicher und liebenswerter erscheinen sie uns. Petr löst seine Probleme auf besonders bizarre Weise: Er lässt sich als Postpaket mit der „lebenden Bettdecke“ per UPS nach Tschetschenien schicken. Vielleicht liegt gerade im Wahnsinnigen die wahre Freiheit; die Möglichkeit nicht länger Sklave von Konventionen und künstlichen Bedürfnissen zu sein. Zumindest ein bisschen geht wohl ein Jeder nach der Schlussperformance, „dem Tanz des verlassenen Indianers“, mit diesem Gefühl seines Weges.

Weitere Vorführungen: Samstag Abend, 20 Uhr im Theatersaal Audimax und Sonntag um 22.30 Uhr.