Fans von gut gemachten Hai-Filmen mussten ja in den letzten Jahren einiges ertragen. Egal ob die Raubfische nun auf eine ganze Stadt herabregnen wie in Sharknado (2013) oder sogar als skurrile Hybride à la Sharktopus (2010) auftretenseit Spielbergs Meisterwerk Der weiße Hai 1975 ins Kino kam, wurde der Hai zum Kultmonster, vor allem durch Trashfilme.

Und nun soll mit The Shallows: Gefahr aus der Tiefe ein realistischer, packender Hai-Thriller auf die Leinwand gebracht werden? Es machte ganz den Anschein – zuerst.

Die junge Frau und das Meer

Auf den Spuren ihrer kürzlich durch Krebs verschiedenen Mutter macht sich die texanische Medizinstudentin Nancy (Blake Lively) auf nach Mexiko, an einen namenlosen Strand, der für sie der perfekte Ort zum Surfen zu sein scheint. Dort trifft sie zwei hilfsbereite, junge Surfer mit denen sie den Nachmittag verbringt. Als sich der Tag dem Ende neigt, verabschieden sich die beiden und verlassen den Strand, während Nancy noch eine Welle reiten will.

Dann nimmt das Unglück seinen Lauf. Angelockt von einem Wal-Kadaver nähert sich ein weißer Hai der Küste und rammt Nancy von ihrem Surfbrett. Er verbeißt sich in ihrem Bein und fügt ihr eine klaffende Bisswunde am Oberschenkel zu. Mit letzter Kraft rettet sich Nancy auf einen Felsen, auf dem sie der Hai nicht erreichen kann. Die Nacht setzt ein und damit beginnt für die verletzte und frierende Surferin ein nervenaufreibender Überlebenskampf – nicht nur gegen das lauernde Raubtier, sondern auch gegen die Zeit, da mit einsetzender Flut ihr Zufluchtsort langsam aber sicher im Meer verschwindet.

Bei der Versorgung ihrer Wunden kann die Protagonistin Dank ihres Studiums auf ein umfassendes Wissen in Sachen Medizin zurückgreifen, für emotionale Unterstützung sorgt die Möwe „Steven Seagull“, die durch einen verletzten Flügel mit Nancy zusammen auf dem Felsen gefangen ist. Der Strand ist nicht weit entfernt, doch im Wasser zieht ein erbarmungsloser, tödlicher Killer seine Bahnen. Wird Nancy es schaffen?

Der weiße Hai trifft auf 127 Hours

In einer malerischen Szenerie kämpft Blake Lively ums nackte Überleben. Die paradiesische Idylle wird für sie dabei zur Hölle auf Erden. Anstatt auf hirnlose Action zu setzten, wie andere Genrevertreter, entwickelt sich The Shallows zu einem fesselnden Kammerspiel, dem es gelingt, die Spannung permanent aufrecht zu erhalten. Grund dafür ist die potentielle Omnipräsenz des Hais, von dem der Zuschauer zwar weiß, dass er da ist, aber nicht, wann und wie er zuschlagen wird. Der Regisseur Jaume Collet-Serra (bekannt unter anderem durch Orphan – Das Waisenkind (2009) und Unknown Identity (2011)) bedient dabei geschickt die menschlichen Urängste vor dem Unbekannten, dem Unsichtbaren, dem Verborgenen.

Nancys Kampf um Leben und Tod erinnert an 127 Hours (2010), einen Film über einen verunglückten Bergsteiger, der tagelang in einer Felsspalte überleben muss. Livelys willensstarke „One-Woman-Show“ überzeugt dabei auf ganzer Linie.

Im falschen Film?

Mit einem aufziehenden Sturm ändert sich jedoch nicht nur das Wetter, sondern auch die kompletten Grundsätze des Films. Der Realismus, um den sich anfänglich wenigstens bemüht wird, muss nun gänzlich weichen, um Platz für das Spektakel zu schaffen.

Der bisherige Reiz des Films, die allgegenwärtige Gefahr durch einen unsichtbaren, lautlosen Jäger, wird nun zunichte gemacht, indem besagter Jäger zu einer monströsen Kampfmaschine mutiert, die mit brachialer Gewalt statt mit Überraschung und Tücke agiert.

Das überdrehte Verhalten des Raubtiers lässt eine teilweise unfreiwillige Komik entstehen, die einfach nur albern wirkt. Nach Logik sucht man hier vergebens. Ein Beispiel gefällig? Ein riesiger, brennender (ja, brennender) Hai schießt auf eine metallene Boje zu und versucht, sich mit seinen messerscharfen Zähnen daran nach oben zu ziehen, nur um die Boje dabei Stück für Stück in seine Einzelteile zu zerreißen. Trashfans können sich am Ende eben doch noch freuen, doch wem die Bekämpfung der (filmischen) Vermüllung der Ozeane am Herzen liegt, den dürfte gerade das an den Haaren herbeigezogene Finale doch sehr enttäuschen.

Ein Jahr nach dem Ereignis kommt Nancy zusammen mit ihrer Familie wieder an einen Strand – um ihrer kleinen Schwester das Surfen beizubringen. Was soll denn schon passieren?

Fazit

Das Hauptproblem von The Shallows: Gefahr aus der Tiefe ist seine Unentschlossenheit und Inkonsistenz. Ein Psychothriller über den Überlebenskampf einer jungen Frau, die in die Wildnis gereist ist, um sich selbst zu finden? Oder doch lieber spektakulär-trashiges Popcornkino? – The Shallows will beides sein. Einerseits verliert der Film dadurch an Tiefe und die ernstere Komponente, wie die Aufarbeitung der Beziehung der Protagonistin zu ihrer Mutter, wird kaum behandelt und daher schlichtweg überflüssig. Andererseits kommen auch Fans von brachialer Hai-Action nicht auf ihre Kosten, weil für solche nur das Finale derartigen Unterhaltungswert besitzt. The Shallows verspielt sein Potential zu einem ernstzunehmenden Thriller, da er sich nicht traut, endgültig mit Klischees zu brechen und seinen eigenen Weg zu gehen. Stattdessen will es der Film jedem Recht machen und führt sich trotz guter Ansätze dabei letztendlich nur selbst ad absurdum.