Ein erholsames Wochenende bei meinen Eltern versetzte mich in genau die richtige Stimmung mir gewalttätige Horrorfilme mit viel Blut an zu sehen. Ich entschied mich für zwei  Extreme, den 2009 erschienenen slasherfilm „The Collector“ und den heute kaum mehr bekannten Craven-Klassiker „The last house on the left“ aus den 70ern.  Man kann sagen, dass beide Filme bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

Um das eine voraus zuschicken: Dies wird keine reine Rezension des neuen Horrorstreifens „The Collector. Das hat einen einfachen Grund – Ich hab den Film nicht fertig gesehen. Warum sei mal dahin gestellt…womöglich bin ich eine Pussy. Allerdings hat er mich, zumindest das wenige was ich von ihm gesehen habe, zum Nachdenken angeregt und ich würde meine Gedanken gerne artikulieren, was allerdings nicht geht ohne zumindest ansatzweise doch kurz über den Anstoß meiner Gedanken zu reden. Hier also mein , sehr kurzer, Eindruck von „The Collector“.

Das hier etwas nicht stimmt, merkt man gleich: Nicht einmal fünf Minuten werden dem Zuschauer gelassen, ehe der grausame Serienkiller sein erstes Opfer fordert.  Noch vielleicht zehn, zwanzig Minuten Verschnaufpause, die der Etablierung des Helden, ein Antiheld wie er im Buche steht, dienen und schon geht es ab wie Schmitz Katze.  Ein Haus voller tödlicher Fallen, ein unheimlicher Serienkiller, ein Held der mehr mit Glück denn mit Verstand überlebt und eine Anzahl von Opfern, die in bester Saw-Splattermanier gefoltert werden. The Collector hat eigentlich alles was sich ein Fan wünschen kann….ich bin keiner und erkenne seinen Wert dennoch an. Vielleicht schaue ich ihn irgendwann sogar fertig. Regie führte  Marcus Dunstan und der Mann bewegt sich sicherlich in vertrautem Terrain, zeichnet er sich doch verantwortlich für die letzten beiden Sawfilme.  Und eben diese Verwandtschaft ist dem Film, bei aller Bildgenialität die er sicherlich auf zu weisen hat, nicht ab zu leugnen. Seien es die perfide ausgetüftelten Fallen, mit denen das Haus durch das unser Held, Josh Stewart, stolpert, oder der mitleidlose Psychokiller selber, wenngleich dessen Motiv  noch etwas dünner scheint als im Falle von Saw. Da lob ich mir Halloween-Mörder Myers der, zumindest in der Ursprungsidee, einfach nur mordet weil…naja, weils halt Laune macht.

Sarkasmus beiseite: The Collector ist sicherlich ein Freudenfest für jeden Fan des gepflegten Horros. Die Schnitte sind gut gesetzt (sowohl die am Film selbst wie auch am Körper der Protagonisten) und auch der Sound trägt sein übriges bei, um einen hinters Sofakissen zu treiben. Wem das nicht reicht bietet sicherlich die unverhüllte und schonungslos dargestellte Gewalt ein Fest der Sinnesfreuden…optisch wenigstens. Alles aufs herrlichste beleuchtet und mit viel Liebe zum Detail aufgenommen.

1972 drehte Wes Craven „The last house on the left“. Bereits die Einleitung beginnt vielversprechend: To avoid fainting, sagt der Sprecher, keep repeating: It’s only a movie!

Kein Film der leicht verdaulich wäre, im Gegenteil. Zwei Mädchen geraten in die Fänge von ein paar Spinnern, die sie foltern und vergewaltigen,  in der zweiten Hälfte nehmen dann die Eltern eines der Mädchen blutige Rache, unter anderem beißt die Mutter dem Vergewaltiger Nummer eins in einer ansonsten sehr stimmungsvollen Blowjob-Szene den Schwanz ab. So machchem mag der Plot bekannt vorkommen, aber das Remake ist wirklich (wirklich!!) schlecht. Was den Film hart macht, ist weniger das was geschieht, als der Umstand, dass jede noch so dreckige Vergewaltigung mit einer derart heiteren Little-Miss-Sunshine-Musik unterlegt ist, dass man sich fast verleitet fühlt, die ganze Sache eigentlich von der humorvollen Seite im Sinne von „ach guck mal, die kleinen Spinner. Voll zugedröhnt“ zu nehmen – Dabei müsste man eigentlich angewidert und voller Mitleid sein. Ist man aber nicht. Man ist höchstens aggressiv und findet die brachiale Rache der Eltern an den Killern höchst befriedigend.

Womöglich aus diesem Grund war der Film lange Zeit auf dem Index in Deutschland, fest steht jedoch, dass er als tabulos und non-plus-Ultra der Gewaltverherrlichung galt.

Damals. Heute?

Heute sehe ich mir den Film an und denke tatsächlich: Na wenn schon.Gut, sie schlitzen ihr den Bauch auf…oh, naja jetzt hohlen sie ihr die Eingeweide raus…aber, hey, ich hab echt schon Schlimmeres gesehen.

Was sich hier wie triefender Sarkasmus anhört, waren tatsächlich meine Gedanken, so schlimm es ist das zu sagen. Ich fragte mich, ob ich womöglich etwas abgestumpft bin, aufgrund des Konsums von zu viel Gewalt womöglich.  Oder ich bin mir einfach zu bewusst, dass alles Fake ist, wer weiß. Dann kam „The Collector“ und als ich sah wie einer Frau mit einer Kneifzange und ohne einzigen erlösenden Schnitt die Zunge herausgezwickt wurde, da war ich, neben der Tatsache das ich zutiefst angewidert und verstört war, doch auch etwas erleichtert, denn offenbar gibt es noch Dinge, die mich verstören und anwidern können, selbst wenn ich 100 mal weiß, dass sie gefaket sind.

Das Problem also scheint nicht zu sein, dass man abgestumpft per se ist, sondern eher, das der Maßstab für erträgliche Gewalt ein neues Level erreicht hat. Man fragt sich natürlich ob das jetzt zwingend besser ist.

1972 waren zwei Mädchen, die im Wald dahin geschlachtet werden, noch weit über der Grenze des Erträglichen … und das obwohl Craven uns eben diese erlösenden Schnitte, die uns Dunstan verweigert, durchaus gewährt….es sei denn man gönnt sich den Grindhouse cut.

Heute braucht es schon eine derart ausgeflippte und auf Seh-und Hörnerven einprügelnde Nummer wie „The Collector“, um mich noch zu schocken….dabei gab es eine Zeit, in der mich sogar die Trommeln in Jumanji  das Fürchten gelehrt haben.

Ich will damit weder die neue Filmgeneration verteufeln noch die alte bejubeln. Ich schätze gutgelungene Arbeit in jeder Form und es bleibt nach wie vor jedem selbst überlassen, wie viel Gewalt er sich reinziehen will. Zumindest erwachsenen Menschen sollte man das zugestehen. Allerdings komme ich, gerade nach dieser Erfahrung, nicht umhin fest zu stellen, das mir mittlerweile wohl ohne es zu merken ein gutes Stück meines inneren Kindes abhanden gekommen ist, was ich durchaus als traurig empfinde.

Im Laufe der Zeit habe ich viele Filme gesehen, manche mehr und manche weniger brutal, und auch wenn sie mich sicherlich nicht maßgeblich in meiner Entwicklung beeinträchtigt oder gefördert haben, so haben sie mich wohl doch ein wenig Unschuld gekostet, was irgendwie schade, andererseits aber wohl unumgänglich ist. Es gibt auch keinen Grund sich zu beschweren, schließlich hat mich niemand gezwungen die Filme, die ich gesehen hab, zu sehen…und viele, wenn auch sicher nicht alle, waren gerade in ihrer Darstellung von Aggression oder in ihrer Art Gewalt zu ästhetisieren sehr gut, ich denke nur an Sin City, den ich immer wieder gern sehe.

Dennoch scheint es mir nicht verkehrt, zumindest ab und zu, mal drüber nach zu denken, was einmal als normal galt und was es heute ist. Ganz objektiv natürlich.