Wenn man das Spiel um Throne spielt, dann gewinnt man oder man stirbt
– Cersei Lannister, Game of Thrones

„Game of Thrones“ – Der Titel der beliebten US-amerikanischen Fernsehserie mag dem eigentlichen Wert dieser nicht unbedingt gerecht werden. Das Spiel um Throne impliziert Machtkampf, Intrigen und Verrat. Klischee?

Auch der Blick auf die Handlung zu Beginn der ersten Staffel erweckt den Eindruck, dass es sich um ein reines Heldenepos handelt, um eines unter vielen: Der Winter naht in Westeros. Ein Winter, der nicht einmal ansatzweise unserer Vorstellungskraft entspricht. Denn Jahreszeiten können in den Sieben Königslanden Jahre dauern. Da Westeros gerade mit einem langen Sommer gesegnet war, wird vermutet, dass auch ein sehr langer Winter folgt. Doch viele scheinen die bevorstehende Gefahr nicht ernst zu nehmen. Während die Nachtwache und die nordischen Lords alles daran legen, vor den Gefahren zu warnen, die der Winter aus dem Norden jenseits der Mauer, die Westeros vor einem wilden Eisgebiet trennt, mitbringt, scheinen die Südländer ihre eigennützigen Spiele zu spielen. Nach der Eroberung des Eisernen Throns durch Robert Baratheon und dem damit einhergehenden Sturz der Jahrhunderte herrschenden Dynastie der Targaryen, die die sieben Königreiche des Landes vereint hat, hat das Reich eine verborgene Zerbrechlichkeit erlangt. Die großen Häuser spinnen Intrigen und vor allem im Umfeld des Königs sind die Machtkämpfe tief und unübersichtlich. Das Spiel um den Thron ist eröffnet, als König Robert Baratheon seinen alten Freund Eddard Stark bittet, den Platz als rechte Hand des Königs einzunehmen.

Doch die Serie ist viel mehr als Mittelalter-Trash und Heldenreise: Sie ist Intrige, Machtkampf und Verrat. Aber vor allem Strategie, Täuschung und Konzentration. Sie ist ein Schachspiel – und das im realistischen, mediävalen Setting.

Die Ereignisse, die durch kleine Intrigen am Hofe entfacht werden, entwickeln sich zu einem Ungetüm, welches nur schwer zu überschauen und zu kontrollieren ist. Die Figuren werden bedacht auf dem Schachbrett platziert, doch der Gegner weiß nicht, welche Strategie den Bewegungen zu Grunde liegt und wer den nächsten Zug machen wird.

Die Fernsehserie hält sich stark an die literarische Vorlage „Das Lied von Eis und Feuer“ (im Original: „A Song of Ice and Fire“) von George R.R. Martin, die bisher fünf Bände und in Deutschland sogar zehn umfasst. Auch wenn man zuerst meinen könnte, die Geschichte fokussiert sich auf das Geschehen um Eddard Stark (gespielt von Sean Bean), so gibt es sowohl in der Verfilmung als auch im Buch keine Heldenzentrierung. Das erste Buch (im Original: „A Game of Thrones“; in Deutschland unterteilt in zwei Bände namens: „Die Herren von Winterfell“ und „Das Erbe von Winterfell“) eröffnet neun Perspektiven mit teilweise verschiedenen Handlungen, die parallel laufen, sich hier und da beeinflussen und doch ihren eigenen Weg folgen. Die Serie hält sich überwiegend an die Einteilung, zeigt aber auch manchmal der dramaturgischen Vollständigkeit wegen, was außerhalb der Perspektiven passiert. Durch die vielfältigen Protagonisten, findet sich der Zuschauer an vielen Schauplätzen wieder. Zum Beispiel schließt er sich an der Seite von Eddard Starks Bastardsohn Jon Schnee (Kit Harington) der Nachtwache an, um das Reich vor den Gefahren jenseits der Mauer zu schützen. Oder er fühlt mit, wie Tyrion Lannister (Peter Dinklage), ein Zwerg, gegen Missgunst und Geringschätzung ankämpfen muss und in Intrigen hineingezogen wird. Oder der Zuschauer kämpft an der Seite von Daenerys Targaryen (Emilia Clarke), Erbin des Vermächtnisses der Dynastie, darum, nach Westeros zurück zu kehren, um den Eisernen Thron zurückzuerobern.

Im Schach werden Figuren geschlagen oder schlagen selbst. Ein einfacher Bauer, der nur maximal zwei Felder vorziehen kann, kann ebenso den König schachmatt setzen wie ein Läufer. In „Game of Thrones“ ist es nicht anders: Charaktere kommen und gehen. Wer in der vorhergehenden Staffel nur am Rande aufgetreten ist, kann in der nächsten schon zur Hauptperson werden und wer Hauptperson war, kann schneller wieder von der Bildfläche verschwunden sein, als dem Zuschauer recht ist. Vermeintliche Spieler sind dann nur noch Spielsteine im Großen und Ganzen. Die Spannung ist damit garantiert. Die Figuren wirken somit zwar lebendig, bleiben aber auch undurchsichtig. Wem kann man trauen? Wer steht auf welcher Seite? Wer hat seine Hände im Spiel? Der hohe Lord oder die hohe Lady? Der gerissene Berater des Königs? Oder ein einfacher Soldat?

Ein scheinbar undurchdringbares Rätsel. Welche Strategie steckt dahinter? Oder gibt es keine, da irgendwann jeder sein eigenes Süppchen kocht und die besten Brotkrumen für sich beansprucht oder einfach nur ungeschlagen auf dem Schachbrett verweilen möchte, bis das Spiel gespielt ist?

Doch wer spielt überhaupt? Nicht schwarz und weiß, sondern Feuer und Eis. Doch was oder wer ist Feuer und wer oder was Eis? Der vereiste Norden von Westeros gegen den warmen Süden? Die Nordlinge gegen die Südlinge? Der Sommer gegen den Winter? Ganz Westeros gegen die eisige Gefahr jenseits der Mauer? Weiße Wanderer gegen Drachen?

Die Suche nach dem größeren Zusammenhang der einzelnen Geschichten lässt einen gar nicht mehr los. Der nächste Zug ist nicht abzusehen. Hierfür zuträglich ist, dass die Geschichten, wie in den Büchern angelegt, auch in der Serie oft lückenhaft erzählt werden. Motive und Personen bleiben fragwürdig, Wichtiges wird nur am Rande erwähnt. Ereignisse spielen sich zwischen dem Wechsel der Perspektiven ab und man erfährt oft in der einen Perspektive nur am Rande, was bei der anderen geschah.

Doch nicht nur durch das Verwirrspiel der Handlung zeichnet sich die Serie aus, sondern auch durch die ansprechende Umsetzung der fiktiven Welt. Sie entwirft vor allem ein ansprechendes Setting. Bei Martins Welt, die an das europäische Mittelalter angelegt ist, handelt es sich nicht um eine romantisierte Version des dunklen Zeitalters. Dieses wird in seiner vollen Härte und Realität dargestellt. Der Realismus der Vorlage wird auch in der Serie gnadenlos umgesetzt: Demnach darf eine enorme Portion Sex und Gewalt nicht fehlen, was der Serie auch die FSK-Freigabe ab 16 Jahren einbringt. Mit phantastischen Elementen, wie Drachen oder Magie, geht Martin vorsichtig ans Werk und weiß sie geschickt und unauffällig in die Geschichte einzuweben und auch die Serie entwirft keine übertriebenen Darstellungen. Das Produktionsunternehmen HBO lässt es sich nicht nehmen mit Spezialeffekten, Kostümen und Sets aufzuwarten, die Kinoqualität besitzen. Schon allein der Vorspann ist jetzt schon legendär. Der amerikanische Sender investierte in die erste Staffel mehrere Zehntausend Dollar, für die zweite und dritte wurde finanziell noch mehr aufgewendet.

Am 31. März ist die dritte Staffel in Amerika auf HBO gestartet. In Deutschland liefen die erste und die zweite vor kurzem auf RTL II. Die dritte Staffel werden erst einmal nur Sky-Kunden Mitte Mai zu sehen bekommen. Ansonsten hilft nur warten bis zur deutsche Free-TV-Premiere oder dem Erscheinen der DVD. Da dies ein gutes Jahr dauern könnte, ist es kein Wunder, dass „Game of Thrones“ die Charts der illegalen Downloads anführt.

Die Erwartung an die dritte Staffel ist groß und die Spannung unter den Fans, wie es weitergeht, ist unbeschreiblich. Was man während der Serie allerdings schnell lernt: Wer Schach gesetzt wurde, muss nicht schachmatt gehen und wer sich auf dem Spielbrett in Sicherheit wägt oder unbeteiligt scheint, kann plötzlich geschlagen werden oder einen entscheidenden Zug machen. Doch ist es wirklich Ziel des Spiels, die Gegenseite zu besiegen? Immerhin ist das „Spiel um Throne“ ja auch immer noch ein „Lied von Eis und Feuer“ – und ein Lied besteht schließlich aus dem Zusammenspiel von mehreren Elementen. Eins ist klar, das Spiel ist noch lange nicht gespielt und das Lied noch lange nicht gesungen!