Kurze Rezensionen zu drei (mehr oder weniger) aktuellen Kinofilmen.

The American – Kartografie der Seele

Aus Klischees geboren erhebt sich der höchst unamerikanische „The American“ durch seine reduzierte Inszenierung und das zurückhaltende Spiel George Clooneys zu einem höchst ungewöhnlichen Thriller, bei dem die Spannung direkt aus dem Inneren der Figuren kommt und in den unheimlich schönen Bildern widerhallt. Anton Corbjins eigentliche Profession merkt man dem Film vor allem in den visuell überstilisierten Liebessequenzen zwischen dem Protagonisten Jack und seinem love interest, einer bildhübschen Hure, an. Der Frauenkörper wird so intensiv und versiert inszeniert, dass diese Szenen fast aus dem sonst so schnörkellosem ästhetischen Korsett auszubrechen drohen, und funktionieren am Ende doch als Teil der kartografischen Visualisierung der Emotionen.

Shahada – Holzhammergefühle

„Shahada“, das Debüt von Burhan Qurbanisschafft es leider nicht seine Klischees zu überhöhen. Der episodenartige Film, der in seiner Wirkung den Werken von Alejandro González Iñárritu nachjagt, präsentiert größtenteils platte, enttäuschende Charaktere und Schicksale, die allesamt aus einer Checkliste für berührende Dramen abgeschaut zu sein scheinen. Es geht um Religion und Glauben und wo das Individuum seinen Platz zwischen all den Dogmen finden soll. Das mutige und v.a. zu Zeiten der Sarrazin Debatten über Migration und selbstbestimmter Fremdheit sicherlich auch wichtige Thema geht allerdings in den teilweise ärgerlich vorhersehbaren und seichten Dialogen unter, die die Charaktere am laufenden Band als rein filmische Kunstprodukte entlarven und das teilweise steife Spiel der Schauspieler vermutlich noch provoziert haben. Die Kameraarbeit schafft es diese Künstlichkeit durch ein übertriebenes Spiel mit Unschärfen und repetitiven Mustern noch weiter zu verstärken. Wirklich beeindruckend sind lediglich das toll animierte Intro und der Abspann.

Adèle und das Geheimnis des Pharao – Schizophrene Spielzeugkiste

Luc Besson ist ein sehr sympathischer Mann, ein Entertainer vor dem Herren und im Falle der Vorpremiere von „Adèle“ auch vor dem Publikum. Er erzählt von dem Entstehungsprozess seines neuen Films, dass seine Frau als Produzentin sein eigenes Geld vor ihm fernhielt, wie lange es gedauert hat die Rechte des Comics zu bekommen, auf dem der Film basiert, und als von einem der Zuschauern die Frage kommt, ob Steven Spielberg den Film schon gesehen hätte, holt Luc Besson sein I-Phone raus und inszeniert ein Telefongespräch: „Oh, you love it?“ Der Franzose hat einen solchen Charme, dass man den folgenden Film gleich etwas mehr lieb haben möchte. Und „Adèle“ ist auch ein durchaus unterhaltsamer Abenteuerfilm. In der Protagonistin Adèle (gespielt von der überaus attraktiven Louise Bourgoin, allerdings mit grausiger deutscher Synchronstimme) steckt noch ein kleiner Funken des asozialen und ausgestoßenen Wesens, das Bessons Charaktere (zumindest in seinen frühen Filmen) ausgemacht hat. Dennoch ist der Film eine riesige, unaufgeräumte Spielzeugkiste: Lego, Playmobil und allerhand verschiedene Actionfiguren sind wild durcheinander gewürfelt. Und wer mit Lego spielt mag in der Regel mit Playmobil nichts am Hut haben. Hier vermischt sich kindlicher Humor mit prickelnder Erotik und mittelmäßig unterhaltsamer Action. Spätestens wenn dann einem Schaf der Bauch aufgeschossen wird und die Gedärme herausquellen, wird es zu offensichtlich, dass sich der Regisseur in seinem Versuch das Mainstream-Versprechen „Für jeden was dabei“ zu perfektionieren, gehörig verzettelt hat. Hier vermischen sich unterschiedlichste Genres und Filmklischees zu einer undefinierbaren Masse. Es fehlt eine klare Richtung, eine eigene Stimmung, ein eigener Stil. Doch Luc Besson hat angekündigt, dass sein nächstes Projekt ein ernsthaftes wird: „I’m sorry, but you will have to cry.“ Vielleicht kehrt ja damit seine Fähigkeit ungewöhnliche Charaktere in bedrückender Atmosphäre zu inszenieren, wieder auf die Leinwand zurück.