Gamescom Tag 1

Kleines Rätsel zum Einstieg: Von welchem jährlichen Event stammt dieser Dialog?

„Also, wir müssen eigentlich nur da hoch, dann da lang, wieder links runter und dann nochmal geradeaus. Oder?“ ─ „Es kann ja nur schiefgehen.“

Jawohl, die Gamescom in Köln hat vom 5. bis zum 9. August wieder einmal ihre Arme nach Spielliebhabern und Branchenvertretern ausgeworfen. Wir, das sind Paul und Robin, erkunden die Messe von Mittwoch bis Freitag. Das Dis+Positiv dient uns als Tagebuch und Verarbeitung unserer chaotischen Erlebnisse. Wir schauen auf die großen wie auch kleinen Titel, denken über E-Sport nach und finden die versteckten Winkel abseits der Spiele.

Robins Erlebnis

E-Sport. Kenne ich nur aus Twitch. Selbst als ich vergangene Gamescom das ein oder andere Mal durch die Riot-Halle mit ihrem gigantischen League-of-Legends-Aufgebot gelaufen bin, hatte ich nie das Verlangen, mal hineinzuschauen. Dieses Mal sollte es sich ändern! Die Electronic Sports League (ESL) bietet in diesem Jahr drei Bühnen, auf denen Fans und Schaulustige Profispielern beim sich auf die Mütze geben mit Titeln wie FIFA 15, Halo 5 und Starcraft 2 zuschauen können.

Ich wage mich in Halle 8, wo die ESL-Arena thront und die Intel Extreme Masters abgehalten werden. Ab durch den Vorhang und ─ grelles Licht sticht in meine Augen. Blaues Licht. Langsam löse ich mein Stirnrunzeln, gewöhne mich an die Scheinwerfer und nehme am Rand einer mittleren Reihe Platz. Rund 100 Zuschauer sitzen um mich herum und starren nach vorne auf eine riesige Leinwand. Darauf erblicke ich Counter Strike: Global Offensive. Klassiker. Hinter der Leinwand befinden sich zwei rechteckige und weitgehend offene Kasten. In jedem der beiden sitzen fünf Spieler. Die beiden Teams SK Gaming und Counter Logic Gaming stehen (besser: sitzen) sich gegenüber (besser: nebeneinander) und bewegen hektisch ihre Hände hin und her. Zumindest vermute ich das, sehen kann ich es nicht, denn die beiden Teamboxen sind ein gutes Stück über den Zuschauertribünen angebracht. SK Gaming führt bereits 6:0, gespielt wird auf Overpass. Ich wünsche mir Stimmung herbei, Emotionen, ein Jubeln und Grölen in der Arena, wie man es aus den Übertragungen kennt. Doch es bleibt beim Herbeisehnen. Das Publikum sitzt lethargisch da, klatscht nicht, atmet nur. Währenddessen murmelt der Kommentator in der hinteren rechten Ecke der Halle vor sich hin. Gut, das stimmt nicht ganz. In typischer E-Sport-Manier fasst er hektisch das Geschehen zusammen, doch im Angesicht der großen Geräuschkulisse, die nunmal auf der Gamescom herrscht, verstehe ich nur Fetzen.

In den nächsten 20 Minuten verfolge ich das Geschehen zwiegespalten. Einerseits ist die Präsentation auf höchstem Niveau; coole Kameraschwenks, Zoom auf die Spieler, Markierungen des Analysten. Auf der anderen Seite ist die Halle tot. Und daran sind sicherlich nicht die Teams schuld. Im Verlauf des Matches greift Counter Logic Gaming seinen Gegner an, holt sich Runde für Runde, dann dominiert wieder SK Gaming. Schließlich Matchball für SK. 15:7. Abgewehrt. 15:8. Abgewehrt. 15:9. 15:10. Die Stimmung kocht! Oder besser gesagt: sollte kochen. Denn auch die mittlerweile auf rund 150 Besucher angewachsene Masse regt sich kaum. Erst als das Match mit 16:12 für SK Gaming zu Ende geht, folgt respektvolles, doch gleichzeitig viel zu sanftes Klatschen. Dafür springen die Sieger auf, die Scheinwerfer drehen durch. Blau-pink zirkuliert das epileptische Feuerwerk an der Decke, während sich die E-Sportler langsam nach unten begeben. Und ich verlasse die Arena. Wirkliche Stimmung ist bei mir nicht aufgekommen.

Vielleicht lag es auch an meinen groben Counter-Strike-Kenntnissen, an meiner Gleichgültigkeit für beide Teams oder meiner empfindlichen Einstellung gegenüber flackernden Lichtern, die einem sämtliche Orientierung rauben. Trotzdem war der Aufenthalt nicht umsonst, sondern eine interessante Erfahrung. Schließlich war ich das erste Mal mittendrin als nur dabei.

Pauls Erlebnis

E-Sport heißt für mich suchen. Aber wonach denn? Schließlich sind die Wettbewerbe auf der Kölnmesse so präsent, dass sich nicht wenige regelmäßig beschweren. Jedoch ist E-Sport wie so vieles Definitionssache. Und auf der Gamescom findet man E-Sport in allen Ausführungen.

Als ich also gegen Mittag auf der Messe ankomme, nehme ich mir zur Mission, die Wettkmämpfe der „Casuals“ zu finden. Nach einem kurzen Intermezzo, einem Interview mit Micha und Filipp von Sound of Games, führt mich mein Weg in die Halle 8. Hier veranstalten Firmen wie XMG, Roccat und Azubu Wettkämpfe für nicht professionelle Spieler.  Letztere gehen dabei sogar so weit, dass sie die Shoutcaster, also die Kommentatoren, aus dem Publikum herauspicken. Gespielt wird um Preise, die von der Landwirtschaftssimulator-Niveau-Kategorie bis hin zur mechanischen Gaming-Tastatur oder einer nigelnagelneuen Play Station 4 reichen. Dieser Wettkampf bekommt nochmal eine andere Qualität, wenn die Gamer gegen ihre Idole spielen können, wie es auf der Gamescom mit den Rocketbeans der Fall ist.

Hierbei sieht man jedes Jahr aufs neue das Potential einer Szene, die sich in Deutschland bisher beinahe ausschließlich auf den virtuellen Raum beschränkt. Was in den traditionellen Sportarten schon lange Tradition ist und mit analogen Spielen wie Magic: The Gathering bereits seit vielen Jahren funktioniert, findet hier auch mit digitalen Spielen Anklang.

Der institutionalisierte Wettkampf von Amateuren und Halbprofessionellen kann hier auf der Messe blühen. Ich denke, dass sich diese Art des E-Sport schon bald über die Grenzen der Kölnmesse heraus verbreiten wird. Für den Moment gebe ich mich allerdings mit dem Phänomen Gamescom zufrieden und gehe jetzt erstmal ins Bett. Gute Nacht!