Mit den Worten: „Mann dieser Howard Marx ist vielleicht ein krasser Typ. Der hat in den 80ern 10% des weltweit verkauften Marihuanas geschmuggelt und dabei die Geheimdienste an der Nase herumgeführt“ – drückte mir damals in unserem Jugendraum ein Kumpel das Buch „Mr. Nice“ in die Hand. Anfangs war ich etwas irritiert, galt doch Lesen bei 16-jährigen Jungs wie wir es waren als verdammt uncool. Damals waren wir alle fest überzeugt, diese Geschichte sei so unglaublich, sie musste einfach wahr sein.

Howard Marx, ein Sohn walisischer Arbeiter bekommt die Möglichkeit auf eine Eliteuniversität zu gehen, doch statt dort fleißig zu büffeln und sich auf einen Job in Englands Oberschicht vorzubereiten lebt er dort ein Leben nach den Prämissen Love, Peace and Drugs.

Nach dem Studium scheitert er als Lehrer und verdient sich fortan als Drogendealer sein Geld. Mr. Nice ist dabei einer seiner vielen Decknamen. 1995 schreibt er  seine Autobiographie und tourt seither mit seinem Buch durch die Welt und verkündet seine Botschaft: „Dealen mit Marihuana ist kein Verbrechen, da ein Gesetz, das eine Pflanze verbietet, falsch sein muss.“ Über die Moral dieser Botschaft lässt sich streiten. Trotzdem nimmt sich jetzt ein Film der skurrilen Person des Howard Marx an und erzählt seine Lebensgeschichte in Filmen wie Blow, Departed oder American Gangster.

Obwohl dieser Vergleich durchaus passend ist, wirkt der Film stellenweise berechenbarer als andere Filme desselben Genres und er hat leider auch seine Längen. Der Regisseur und Drehbuchautor Bernard Rose hat sich wohl nicht getraut das Lebenswerk des Howard Marx auf ein rundes Drehbuch einzudampfen und ist bemüht möglichst nah an der literarischen Vorlage zu sein. Mut hat der Regisseur dennoch bewiesen, indem er die Hauptrolle mit Rhyn Ifans Besetzt hat. Der englische Schauspieler ist bekannt als liebenswert verrückter Mitbewohner von Hugh Grant in Notting Hill. In Mr. Nice spielte er zwar eine Rolle, die mindestens genauso verrückt ist, dafür aber um einiges ernster. Ich habe ihm den größenwahnsinnigen Drogendealer aus einfachen Verhältnissen von Anfang bis Ende abgenommen.

Die filmische Umsetzung der Biographie erinnert stellenweise an eine Dokumentation wie sie um Mitternacht auf ARTE laufen könnte. Nicht nur, dass die Studienjahre des Howard Marx und sein ständiger Drogenrausch durch sehr bunte psychedelische Bilder dargestellt werden und der komplette Film aussieht, als wäre er mit einer Super 8 Kamera aus der Hand gedreht worden. Der Regisseur ergänzt die Szenen des Films durch Originalaufnahmen der Verhaftung und Mitschnitten aus Lesungen des Buchautors.

Dies ist sehr gelungen, gibt es dem Zuschauer doch die Möglichkeit komplett in die Welt des Mr. Nice abzutauchen. Neu ist dieses filmische Konzept aber nicht. Denn auch der Film „Taking Woodstock“, der im letzten Jahr in den Kinos zu sehen war und sich mit den Geschehnissen rund um das Kultfestival Woodstock beschäftigt, arbeitet mit denselben filmischen Elementen. Abschließend lässt sich sagen, wer das Buch „Mr. Nice“ gemocht hat, der wird diesen Film lieben und auch für Liebhaber von Mafiafilmen ist er sehenswert. Wer allerdings eine Antidrogenmoral innerhalb des Filmes erwartet, der wird enttäuscht werden.

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Titel: Mr. Nice (2010)
Regie: Bernard Rose
Darsteller: Rhys Ifans, Chloë Sevigny, David Thewlis