Im Juli 2010 meldet Facebook 500 Millionen Mitglieder. „Facebook“ ist der meistgesuchte Begriff bei google.de. Der Wert des weltweit größten sozialen Netzwerks beträgt 50 Milliarden Dollar. Das amerikanische Time-Magazine wählt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zum „Man of the Year“.

Und ich bin nicht bei Facebook.

Aber alle meine Freunde sind es, was selbstverständlich zur Folge hat, dass ich in regelmäßigen Abständen Einladungen per E-Mail bekomme und persönlich aufgefordert werde: „Jetzt geh doch endlich zu Facebook. Das ist echt praktisch! Und total cool!“

Mit der Zeit bekomme ich das Gefühl, die Welt teilt sich auf in diejenigen, die für Facebook sind, und die, die es strikt ablehnen und die spontane Äußerungen wie „Facebook ist die Achse des Bösen“ verlauten lassen (natürlich mit einem kleinen Augenzwinkern versehen).

Während auf der einen Seite Facebook als glorreiche Bereicherung unseres Lebens gefeiert wird, entwickelt sich auf der anderen Seite eine Art Anti-Facebook-Hype.

Überfüllt an Benutzern – überfüllt an Funktionen – überfüllt an Schwachsinn?

Datenspeicherung (auch wenn man seine Daten löscht), Angst vor Kontrollverlust über die eigene Privatsphäre, Suchtgefahr… Schlagworte, die Nicht-Facebook-Nutzern sofort in den Sinn kommen, und wohl auch einigen Facebook-Nutzern: Der 31. Mai 2010 war der „Quit-Facebook-Day“, an dem mehr als 30 000 aus Protest gegen mangelnden Datenschutz ihre Profildaten löschten. Auch deutsche Verbraucherschützer schalten sich ein. Facebook verleite seine Nutzer dazu, „ihren gesamten Datenbestand“ preiszugeben.

Facebook ist in aller Munde – positiv, negativ, neutral – und sogar auf der Leinwand. 2010 kam der Film „The Social Network“ in die Kinos, allein in Deutschland sahen ihn fast eine Millionen Menschen. Was aber wohl die Wenigsten wissen ist, dass der Film auf Grundlage des Buches „Milliardär per Zufall“ von Ben Mezrich entstanden ist. Der Roman erzählt die Geschichte Facebooks und die Geschichte Mark Zuckerbergs, einem Mann, der von seinem Umfeld als nicht kommunikationsfähig beschrieben wird, und doch die Kommunikation der gesamten westlichen Welt verändert hat. Ist das nicht Ironie? Geht es dann vielleicht kein bisschen um Kommunikation? Geht es ausschließlich um Macht? Nun, es geht ja immer um Macht, aber muss das so skrupellos sein:

Facebook: „Für Inhalte, die unter die Rechte an geistigem Eigentum fallen, wie Fotos und Videos („IP-Inhalte“), erteilst du uns vorbehaltlich deiner Privatsphäre- und Anwendungseinstellungen die folgende Erlaubnis: Du erteilst uns eine einfache, übertragbare, unterlizenzierbare, unentgeltliche, weltweite Lizenz für die Nutzung aller IP-Inhalte, die du auf oder im Zusammenhang mit Facebook postest („IP-Lizenz“). Diese IP-Lizenz endet, wenn du deine IP-Inhalte oder dein Konto löscht, außer deine Inhalte wurden mit anderen Nutzern geteilt und diese haben sie nicht gelöscht.

Das macht mir Angst und ich möchte kein Unternehmen unterstützen, dem ich mich letztendlich für ein bisschen sozialen Kontakt verkaufe. Ich will nicht im internationalen Datenstriptease mit jedem Klick eine Hülle mehr fallen lassen. Ich möchte nicht jede Aktion genau abwägen müssen. Ich brauche keine 500 Millionen Freunde, mich interessiert nicht, dass Marie nicht mehr mit ihrem Freund zusammen ist (wer war noch mal Marie?), ich muss keine Kühe kaufen und Getreide anpflanzen!

Es reicht mir schon, meinen Freunden bei ihren Facebook-Aktivitäten über die Schulter zu schauen.

Und: Wir haben online so viele Freunde, dass wir ein neues Wort für die echten brauchen. Das war einerseits vor kurzem der Werbespruch einer Zeitung, ist aber andererseits genauso ein guter Denkanstoß. Oder ist die Freundin, die ich mitten in der Nacht anrufen kann, um sie vollzuheulen, etwa genauso wie die Freunde, die mir Facebook vorschlagen und mit denen ich dann halt mal befreundet bin?

Everybody loves to hate?

Natürlich ist Facebook nicht das einzige soziale Netzwerk. Es gibt Myspace, StudiVZ, Lokalisten, Netlog… und Diaspora, ein freies und dezentral organisiertes Netzwerk, das mit dem Slogan „Teile was du willst, mit wem du willst“ wirbt, also gewissermaßen das Gegenprogramm zu Facebook darstellen will. Derzeit befindet es sich allerdings noch in der Testphase.

Und dann ist da noch Hatebook, das asoziale Netzwerk. „Hatebook is an anti-social utility that disconnects you from the things YOU HATE”. Das erinnert doch stark an Facebook (“facebook is a social utility that connects people with friends and others”). Der Name klingt ähnlich, das Design ist ähnlich, aber man erstellt ein „hate-profile“, tritt einem „hate-clan“ bei und das auf der Seite genannte Ziel ist „take over the world“. Man nennt Dinge und Menschen beim Namen, die man verabscheut, verbreitet Lügen und Lästereien. Und Datenschutz gibt es sowieso nicht. Da stellt sich doch die Frage, ist das wirklich nur eine Facebook-Parodie?

Es scheint zumindest für all jene Leute zu sein, die aus Prinzip dagegen sind. Gegen Facebook, gegen ewiges Anstupsen, gegen den blau-weißen, nach oben gerichteten Daumen.

Und ist das nicht gerade das Schlimme? Das dagegen-Sein-weil-alle-dafür-sind? All jene Facebook-Hasser, die als Grund „ja der Datenschutz halt und überhaupt“ und ähnlich blasse Argumente angeben, sind die nicht genauso schlimm, wie Marie, die sich Nächte lang die Augen ausweint, was über jede Suchmaschine zu finden ist?

Beides ist „in“, ein Facebook-Profil besitzen und anti-Facebook zu sein. Aber vielleicht sollten all jene, bei denen der Trend das Argument ist, ihre Position überdenken?

Für alle, die sich auf Facebook Sorgen um ihre Daten machen: http://www.sueddeutsche.de/digital/service-datenschutz-privat-trotz-facebook-1.933960

Für alle, die mal über Facebook schmunzeln wollen:

http://www.youtube.com/watch?v=ft6FMd2p2Jw

http://www.youtube.com/watch?v=c1uhpKAgRsI

(Ja, ja, Facebook ist in aller Munde)