Wie sagte schon der alte Bilbo Beutlin: „Du betrittst die Straße und wenn du nicht auf deine Füße aufpasst, kann man nicht wissen, wohin sie dich tragen.“ Ähnliches dachten sich die meisten eingefleischten Fans der „Herr der Ringe“-Saga, als eine Trilogie zur Vorgeschichte „Der kleine Hobbit“ angekündigt wurde. Würden auch diese neuen Filme mit Oscars überhäuft werden oder hätte man das dreiteilige Meisterwerk über den einen Ring weiterhin für sich stehen lassen sollen? Gemischte Erfahrungen in dieser Richtung wurden ja bereits mit den neuen „Star Wars“-Episoden gemacht. Wir, die Kino-Crasher Ursula und Jannik, haben uns den ersten Film der Reihe einmal angeschaut und verraten euch, wohin die Straße führt.

Zum Inhalt von „Der Hobbit“ bleibt wohl nicht viel zu sagen, da er aus verschiedenen Quellen bekannt sein dürfte; sei es aus den Kritiken, dem Film selber, dem Film „Herr der Ringe I“ oder dem Vorwort des gleichnamigen Buchs, so wie natürlich aus „Der kleine Hobbit“. Bilbo Beutlin aus Beutelsend, friedlicher Auenlandhobbit, wird von Gandalf dem Grauen auf eine gewagte Expedition geschickt, bei der er 13 Zwergen unter der Leitung von Torin Eichenschild helfen soll, die Stadt Erebor im einsamen Berg zurückzuerobern, die vor einigen Jahren von dem Drachen Smaug heimgesucht wurde. Auf ihrer Reise begegnen sie dem üblichen Potpourri aus Orksen, Wargsen, dreckigen Trollen und garstigen Elben („Gollum, Gollum!“). Gedreht wurde mal wieder in Neuseeland, dem Heimatland von Vollbartträger Peter Jackson, der natürlich auch hier wieder Regie führte. Als zusätzliches Schmankerl wurde in neuer Framerate (HFR) und 3D gedreht.

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1. Eine Hobbit-Trilogie? Ist das gerechtfertigt?
2. Das große Vorbild „Herr der Ringe“. Wie geht man damit um?
3. Wie stehts denn dann um die Filmmusik?
4. HFR (keine Bewertung) und 3D – Wie stands damit?
5. Unser Fazit

Punkt 1: Eine Hobbit-Trilogie? Ist das gerechtfertigt?

Ursula:  300 Seiten umgewandelt in drei Filme mit Überlänge? Man könnte meinen: „Bei einer normalen Drehbuchlänge von 100-120 Seiten dürfte das ja genau aufgehen!“ Aber seit wann halten sich Drehbuch-Autoren an die Romanvorlage?… anstatt beim Buch zu bleiben und beispielsweise Dinge auszufeilen, die Tolkien versäumt (etwa die Charakterisierung der Zwerge), kommen einfach ein paar neue Handlungsstränge dazu. Viele davon sind nicht unbedingt in erster Linie schlecht, aber einfach zu lange ausgeführt: Zum Beispiel dauert es bestimmt 20 Minuten, bis man endlich bei der eigentlichen Handlung in Beutelsend beginnt. Zuvor gibt es einen langen pathetischen Prolog, der zwar nicht unwichtig ist, trotzdem aber auch nur halb so lang hätte sein können. Dem folgt ein sentimentaler Seitenhieb auf Herr der Ringe, mit dem alten Bilbo und Elijah Wood – ich persönlich ertappte mich einen Moment sogar bei dem Wunsch, dass ich lieber mit Frodo losziehen wollte, um Gandalf mit seinem Feuerwerks-Wagen wiederzutreffen, als bei Bilbo zu bleiben… Man kann es auch so beschreiben:

Jannik: Du hast natürlich recht, man hätte die Geschichte auch in einem einzigen Film erzählen können. Die Handlung ufert maßlos aus. Doch in diesem Sinne erinnert mich Peter Jackson ein wenig an den redseligen Ted Mosby. Der wollte seinen Kindern schließlich auch nur kurz erzählen, wie er ihre Mutter kennengelernt hat. Acht Staffeln später ist weiterhin kein Ende der Geschichte in Sicht und der Zuschauer wird noch immer bestens unterhalten. Genau das muss man auch dem „Hobbit“ zugutehalten: Er kommt häufiger vom Thema ab, doch er langweilt nie. Ob das auch bei den Fortsetzungen der Fall ist, bleibt natürlich abzuwarten. Aber ich bin zuversichtlich, dass man bei dem jetzigen Erzähltempo auch die nächsten sechs Filmstunden gut füllen kann. Übrigens war ich im Nachhinein recht froh, dass ich nicht mit Frodo losziehen musste, sondern beim guten alten Bilbo geblieben bin, denn Hauptdarsteller Martin Freeman überzeugt auf der ganzen Linie. So hat die Veröffentlichung als Trilogie den Vorteil, dass man sich auch in den nächsten Jahren auf einen neuen Film mit dem gewitzten Hobbit freuen kann.

Ursula: Jaaa, okay Bilbo fand ich auch cool. Ich kannte  Martin Freeman bis jetzt eigentlich nur aus „Tatsächlich Liebe“ und fand Bilbo mit ihm gut besetzt. Als eine der wenigen habe ich ja auch Sympathien für Radagast den Braunen empfunden, vielleicht auch wegen dieser herzzerreißenden Igel-Wiederbelebungsszene… Trotz seines seltsamen Kaninchen-Schlittens  fand ich ihn im Hobbit gut platziert, im Gegensatz zu Galadriel und Saruman, die bei ihrem Gastauftritt wie seltsame Karikaturen ihrer HdR-Ichs aussahen. Wieder zwei sentimentale Seitenhiebe für die Herr der Ringe-Fans… was allerdings weder diese, noch die Hobbit-Fans ansprechen dürfte, ist der bleiche Ork. Ich meine was soll der da eigentlich? Mit seinem Stöckchenarm ist er jedenfalls nicht furchteinflößend – Tolkien würde auch nur mit dem Kopf schütteln!

Jannik: Die Orks und Goblins sind stellenweise seltsam geraten und wirken deplatziert. Woran das liegt? In der „Herr der Ringe“ – Trilogie wurden sie von Schauspielern gespielt und äußerst düster inszeniert. Einige Orks, vor allem die Wargreiter, wirken auch im „Hobbit“ realistisch, doch es gibt viele peinliche Biester zu bestaunen. Negativer Höhepunkt ist der Orkkönig des Nebelgebirges, denn er ist nicht nur eine Witzfigur, sondern obendrein ein animierter, aufgequollener Fleischklumpen. Der Gesamteindruck, der bei ihm entsteht, ist nicht etwa „Furchteinflößender Herrscher über ein ganzes Ork-Königreich“, sondern „Lustige Frikadelle“. Seine Untertanen wirken eher wie aus einem Kinderfilm von Pixar und so entsteht ein völliger Kontrast zu den Szenen in Moria in der alten Trilogie – Fans werden sich an die packende Atmosphäre erinnern. Damit wären wir auch schon beim nächsten Thema:

Punkt 2: Das große Vorbild „Herr der Ringe“. Wie geht man damit um?

Jannik: Ein Epos wie den „Herrn der Ringe“ kann man fast nicht überbieten. Der größte Feind, mit dem sich Peter Jackson während seiner Arbeit am „Hobbit“ konfrontiert sah, war daher sein früheres Meisterwerk. Sollte er etwas vollkommen neues kreieren oder sollte er besser auf Altbewährtes setzen und so die Erwartungen der Fans erfüllen? Beides ist ihm nur teilweise gelungen. Natürlich hat mich der Film gut unterhalten, doch glaube ich nicht, dass ich noch jahrelang an den „Hobbit“ zurückdenken werde. Genau das war aber beim „Herr der Ringe“, bei allen drei Teilen, der Fall. In manchen Szenen merkt man, wie versucht wurde, den Zauber der alten Trilogie aufleben zu lassen. Besser als das Original wird dadurch nichts, es schmeckt dem Zuschauer wie das adlige, aufgewärmte Essen von gestern. Und da, wo versucht wurde, etwas völlig Neues zu kreieren, schmeckt’s zuweilen faulig. Der alberne Radagast hätte im „Herr der Ringe“ für einige gepflegte Wutausbrüche unter den Zuschauern gesorgt. Dem „Hobbit“ gestehe ich solche Szenen zu, doch eher aus Mitleid, nach dem Motto: Der Film hat es ja auch nicht leicht, so ganz im Schatten seines großen Bruders. Da muss zur Kompensation eben ab und zu ein Radagast her.

Ursula: Naja….anscheinend schon. Radagast ist – wenn man mal einen Neologismus gebrauchen will – sehr tim-burtonesk! Der Hobbit versucht mit vielen Mitteln an „Herr der Ringe“ heranzureichen, aber gelingen tut es ihm nur in einem Punkt: Gollum! Von ihm war ich unglaublich überrascht. Im „Herr der Ringe“ war er immer dieser schleimige, etwas nervige brabelnde Nebencharakter, aber im „Hobbit“ bekommt er eine neue komödiantische Seite dazu, die mir sehr gefallen hat! (Natürlich ist die Animation auch besser als damals)

Dafür langt der „Hobbit“ für meinen Geschmack oft zu tief in die Pathos-Kiste. Zwar gab es in HdR auch einige sehr pathethische Einstellungen (Man erinnere sich an die Rettung von Helms Klamm im 2. Teil als Gandalf und die Rohirrim mit ihren Pferden durch die Uruks pflügen, während im Hintergrund die Sonne aufgeht etc.) aber keine davon scheint mir so übertrieben wie etwa die Schlacht, in der Torin gegen meinen Liebling, den bleichen Ork, kämpft!

Jannik: Der „Hobbit“ verwendet brachiale Gewalt, um die epische Atmosphäre des „Herrn der Ringe“ wiederherzustellen. Das Pathos ist aber zu konstruiert und wirkt stellenweise lächerlich. Peter Jackson versucht mit aller Macht und vergeblich sein früheres Werk zu übertrumpfen.

Ursula: Mit einem bleichen Ork…

Punkt 3: Wie stehts denn dann um die Filmmusik?

Ursula: Das war mein eigentlicher Zugang zum Film. Es wird von vielen Seiten bemängelt, dass so viele Themes aus dem „Herrn der Ringe“ übernommen wurden, aber das fand ich nicht unbedingt schlimm. An manchen Stellen war es mehr die Musik von Howard Shore als die Bilder, die mir das Gefühl von „nach Hause kommen“ vermittelten. Wenn man zum Beispiel die grünen Hügel des Auenlandes sieht und dazu die wohl bekannte hüpfende Geigenmelodie erklingt oder man wieder nach Bruchtal kommt und das Rivendell-Theme hört, schafft das eine Vertrautheit, die mir sehr gefallen hat. Man kann natürlich bemängeln, dass es andere Themes aus Herr der Ringe gab, die nicht so passend verwendet wurden (zum Beispiel wurde das Theme des Hexenkönigs von Angmar für den letzten Kampf zwischen Torin und (guess who) dem bleichen Ork verwendet!), aber ich bleibe dabei, dass es die Musik war, die mich wieder zurück nach Mittelerde gebracht hat – und dafür bin ich dem Film dankbar!

 Jannik: Dieses epische Gefühl, dass man als Zuschauer beim „Herr der Ringe“ unweigerlich empfand, kam durch die meisterliche Kombination von Musik und Bild zustande. Melancholische, mysteriöse und bedrohliche Klänge wechselten einander ab und verliehen den Filmen eine schwer zu begreifende Tiefe. Der „Hobbit“ ist musikalisch wie ein „nach Hause kommen“, das stimmt. Nur ist das Haus leer geräumt. Es mag an Kleinigkeiten liegen, wie etwa der ständigen Wiederholung altbekannter Lieder. Doch was früher voller Leben war, wirkt beim „Hobbit“ wie das verzweifelte Festhalten an der erfolgreichen Vergangenheit. Ein Festhalten, dass dem „Hobbit“ seine Eigenständigkeit als Film nimmt. Nur wenige Szenen erreichen tatsächlich die klangliche Brillanz des Vorbilds. Etwa, wenn der heroische „Song of the Lonely Mountain“ erklingt. Mehr Mut, ein neues Zuhause zu errichten, hätte nicht geschadet.

Ursula: Brumm brumm brumm brummmm *summ*

Punkt 4: HFR (keine Bewertung) und 3D – Wie stands damit?

Jannik: Da ich kein großer Fan vom 3D-Kino bin, freue ich mich immer, wenn dieses Feature möglichst unauffällig in einer Ecke sitzt und nicht stört. Das tut es im „Hobbit“ so gut wie nie, abgesehen von einem Dialog zwischen Galadriel und Gandalf, bei dem durch 3D-Unschärfeeffekte vorgeschrieben wird, wen man wann anzuschauen hat. Da ich ein großer Fan von Gandalf bin, habe ich den Aufstand gewagt und meinen Blick auf ihn zentriert, auch wenn er völlig verschwamm. Zwei Schwindelanfälle später wusste ich: Der Aufstand hatte sich nicht gelohnt. Am schlimmsten ist es, wenn in Filmen zusammenhanglos mit der 3D-Technik geprotzt wird. Davon werden wir im „Hobbit“ verschont, abgesehen von einer kolossal in Szene gesetzten, aber völlig aus dem Kontext gerissenen Schlacht zwischen Steinriesen. HFR ist leider nicht überall zu bewundern und auch wir bekamen es nicht zu Gesicht. Hinter der Abkürzung verbirgt sich die Technik, mehr Bilder pro Sekunde wiederzugeben, um schnelle Bewegungen fließender darstellen zu können. Eine Revolution soll es allerdings nicht sein, wenn man den wenigen „Augenzeugen“ Glauben schenkt.

Ursula: Für HFR spricht zumindest, dass ich die normale 3D-Version, die wir angeschaut haben (jaaa, Asche über unsere Häupter!), nicht unbedingt loben würde. Ich erinnere mich an eine Szene, in der Bilbo pfeiferauchend vor einer Hecke sitzt, hinter der man noch die Hügel des Auenlands sieht. Bei dieser Einstellung hatte ich den Eindruck, auf eine dieser Aufklapp-Postkarten zu schauen, so unsanft hoben sich die einzelnen Ebenen von einander ab. Ich habe mir sagen lassen das HFR die Gesichter in 3D so natürlich erscheinen lässt, dass man denkt, der betreffende Schauspieler stünde wirklich direkt vor einem, kann das aber eben nicht bestätigen. Allgemein muss ich sagen, dass es meiner Meinung nach kein 3D-Film hätte sein müssen. Die Herr der Ringe-Filme kamen schließlich auch ganz gut ohne 3D aus ohne dass es ihnen an mangelnder Darstellungskraft fehlte.

Unser Fazit:

Ursula: Der Hobbit musste in große Fußstapfen treten und hat seine Aufgabe leider nicht so gut gemeistert wie erhofft. Es bleibt auch die Frage, wie Peter Jackson noch die restlichen beiden Filme füllen will, wenn der Kampf gegen Smaug wohl schon Thema des zweiten Teils sein wird. Für mich ist der Hobbit allgemein zu sehr mit nostalgischen Herr der Ringe-Anspielungen versehen um als eigenständiger Film gesehen werden zu können. Er ist ein Film für Herr der Ringe-Fans und nicht für Hobbit-Anhänger, aber er hat wieder zurück nach Mittelerde geholt, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Einige Dinge werden dort wohl immer gleich bleiben: Gandalf hat wohl mit Abstand die größten Mana-Probleme aller Zeiten (nach einem großen Zauber kann er tagelang seinen Stab nur noch zum Zuschlagen verwenden) und dann natürlich die immer währende Frage: Warum nehmen sie nicht einfach die dummen Adler???

Jannik: Wie du schon sagst: Gandalfs Mana wird immer knapper, denn er kommt in die Jahre. Beim „Hobbit“ reicht es generell nicht zum ganz großen Feuerwerk, da er nicht den Mut aufbringt, auf eigenen Beinen zu stehen. Die individuell gestalteten Zwerge und ein erfrischend witziger Gollum sind sicherlich vielversprechende Lichtblicke. Doch wer sich so stark an ein Meisterwerk wie den „Herrn der Ringe“ anlehnt, muss damit rechnen, mit ihm verglichen zu werden. Bei diesem Vergleich fällt der „Hobbit“ gnadenlos durch, auch wenn er gut unterhält. Vieles wirkt zu künstlich, aufgesetzt und albern um an das alte Epos Jacksons heranreichen zu können. So läuft Bilbo weiterhin die Straße entlang und fragt sich, wie lange wohl Orks in der Pfanne brauchen, um wie Frikadellen auszusehen.