DiD im Spiel

„Indyyyyyy!“ Einer der Rufe, der in jedem Indiana Jones-Teil bis jetzt vorkam, ganz egal wie (un-)selbstständig die Damsel in Distress war, von der er stammte. Bei bestimmten Spiele-Frenchaises ist das nicht anders: Wer hat nicht beim Thema „DiD im Spiel“ sofort bestimmte Frauen-Charaktere im Kopf, die sich immer wieder in Schwierigkeiten bringen, ganz egal wie oft man sie rettet? Lasst uns zuerst einen Blick auf diese Frauen werfen!

Ich glaube kein zweites Medium baut so sehr auf das DID-Schema wie der Gaming-Bereich. Allerdings ist dabei mehr „der Weg das Ziel“. Der Weg mit seinen Gefahren, Herausforderungen und dem ultimativen Endgegner! …Naja und irgendwo am Ende wartet die Damsel in Distress.

Donky Kong

und die DID-Tradition

Eines der bekanntesten und ältesten Spiele dieser Art ist Donky Kong, ein Arcade-Game von 1981. Jump Man (alias Super Mario) eilt zur Rettung seiner Damsel (Lady/Pauline), später ersetzt durch Prinzessin Peach, die von Affe Donkey Kong entführt wurde.

Mit der Frenchaise „Super Mario“-feiert Nintendo seit etlichen Jahren Erfolge. Hin und wieder wurden auch andere Spielinhalte für Mario-Games, wie in Mario Kart, ausprobiert, aber viele weitere Ableger (z.b. Supermario Bros., Super Mario World, oder Super Mario Galaxy) bauen auf die Damsel in Distress. Prinzessin Peach ist, wenn man so will, der Archetyp einer DID: Sie ist hellhäutig, blond und trägt ein pinkfarbenes Kleid (Gender-Colooooor!). Ein leibhaftiger Judith Butler-Albtraum, aber lassen wir das…

Wie schon bei Donkey Kong ist es auch in den anderen Spielen nicht verwunderlich, dass die Rettung der Jungfrau in Nöten nicht an erster Stelle steht. Lady’s Distress wird einfach nebensächlich, wenn sie das dutzendste Mal entführt wird, nachdem man zu ihr hochgehüpft ist. Sie ist ja auch nicht in wirklicher Gefahr, Kong stellt sie auf einen Vorsprung und wartet auf „Jump-Man“, das ist alles. Keine Folter, keine Vergewaltigung, kein Tod droht. In Donkey Kong geht es nicht um Liebe, auch wenn das bekannte Bewerbungs-Video von Simon und Buddy für MTV es so auslegt. In Donkey Kong und Super Mario geht es um Geschicklichkeit (achja… ich zeichne mich durch eine Art Jump n‘ Run-Legasthenie aus) und das Wachsen an Herausforderung. Es gibt noch zahlreiche andere Spiele dieser Art, man denke etwa an Zelda oder Super-Meatboy – auch sehr erfolgreiche Spiele. Und eigentlich ist es ziemlich egal, was man am Ende als Belohnung erhält… in Portal ist es ein Kuchen. Der funktioniert genau so.
Ein Spiel muss nicht unbedingt schlecht sein, nur weil die Story platt ist – aber das ist sie bei „Donkey Kong“, bei aller Liebe. Hat sich jemand mal überlegt, was für ein Leben Peach eigentlich führt? Kann man sie überhaupt als Charakter sehen oder könnte man sie auch durch einen rosa Kreis ersetzen? Die Fans des Mario-Unversums sind zahllos – dennoch ist Donkey Kong ein Anti-Beispiel, was die Damsel in Distress angeht.

Abkehr von der Tradition

Ich will nicht zu sehr die Emanzen-Keule schwingen, denn in den letzten Jahren gab es einige Beispiele, die sich von dem immer gleichen Damsel-Prinzip distanzierten. Es gibt ja noch andere wichtige Dinge im Leben eines Helden, etwa die Rettung der Welt! Nehmen wir hier z.B. Mass Effect und Diablo. Wobei letzteres und auch Uncharted 3  Beispiele für männliche Damsels sind (Deckard Caine und Victor Sullivan alias „Sully“). Hinzu kommen weibliche Spielheldinnen oder die Option, einen weiblichen oder männlichen Charakter zu wählen. Und nimmt man mal ein Spiel wie Dark Souls, ist die Wahl einer Frau bei niedriger Menschlichkeit nicht mal eine Befriedigung des „Male Gaze“. Ich sehe diese Entwicklung positiv. Und nebenbei gibt es ja auch Spiele wie Shadow of the Colossus, die zwar eine Damsel in Distress haben, sie aber in ein atmosphärisches Gamedesign einbetten.

FF VII – Damsel in f**ing Distress

Hier mal der obligatorische Spoiler-Alarm. Es gibt ja nach 16 Jahren immer noch Leute, die das Spiel gerne durchspielen möchten, ohne wissen zu wollen, worauf ich mit diesem Damsel-Beispiel hinaus will. Für die jenigen: Hier gehts zum Fazit .

Links sieht man Cloud Strife, den Held in Final Fantasy 7 und Aerith Gainsborough (ebenfalls im rechten Bild) – allerdings sind beide Bilder es aus Final Fantasy VII – Crisis Core, in dem die beiden Charaktere auch vorkommen (bevor hier jemand meckert).

Aerith ist im Spiel viel mehr als eine DiD oder eine angehende Geliebte. Sie steht für das Gute in der düsteren Industriewelt von Final Fantasy 7, lässt Blumen wachsen, wo eigentlich Verfall herschen sollte, und gibt denen Mut, die keinen mehr haben. Sie ist ein spiritueller und gleichzeitig humorvoller Charakter. Ein bisschen wie Dumbledore oder Gandalf. Tatsächlich ist sie auch sehr weise, da sie auf das Wissen ihrer Vorfahren, den Cetra (einem ausgestorbenen Volk), zurückgreifen kann.

An sich bestehen weite Teile der FF7-Story aus DID-Missionen, wenn man nicht gerade dem übermächtigen Antagonisten Sephiroth hinterherjagd. Eine Mission davon unterscheidet sich aber vom Rest und erst seit ich sie unter dem Aspekt des DiD-Schemas betrachtet habe, verstehe ich, warum man bei ihr immer das Gefühl hat, dass das, was passiert, einfach nicht wahr sein kann.

Vielleicht sollte man sich zur Erinnerung (oder um zu verstehen) tatsächlich die Szene von 1997 ansehen.

Ein paar Sequenzen zuvor spricht man zum letzten Mal mit Aerith. Sie beschließt, Sephiroth allein aufzuhalten, indem sie im Tempel ihrer Vorfahren nach Antworten sucht. Mann kann sie nicht aufhalten und sieht noch wie Sephiroth ihr folgt mit dem Satz:

„She’s thinking of interferring? She will be a difficult one, don’t you think? We must stop that girl soon.“

Man denkt sich in alter DiD-Manier: „Der Klassiker!“ und folgt den beiden. Aber dann kann man Aerith nicht retten! Sie stirbt direkt vor Clouds Augen und er tötet sie noch fast selbst! Ich kenne kein Spiel und auch keinen Film, bei dem ein in gleichem Maße wichtiger Charakter einfach in der Mitte des Spiels stirbt. Man steht da und denkt: „Ja wie… nein! Das ist nicht richtig“ – Wie Cloud schon sagt:

„This can’t be real“.

Es ist beinahe unmöglich, nach diesem Ereignis weiter zu spielen. Bis heute wird die FF7-Geschichte immer wieder aufgegriffen und weitererzählt, weil sie die Menschen einfach nicht loslässt. Die Ermordung von Aerith durchbricht den ewigen DiD-Kreislauf, macht sie zur absolut reinen, schönen Seele, Cloud zum tragischten Helden, den ich kenne, und Sephiroth… zum besten Antagonisten/Shadow/Mutherf**ing-OP-Endgegner allerzeiten!
Was lernen wir nun daraus… sicher nicht, dass der DiD-Effekt in Spielen nur funktioniert, wenn er… äh nicht funktioniert. Aber in einem Medium, das sich so sehr an bestimmte Plot-Standards hält, kann es die komplette Welt auf den Kopf stellen, wenn Schema F plötzlich durchbrochen wird.

Fazit

Ich mache es kurz: Man kann die DiD sehr kritisch hinterfragen und sicherlich ist sie keine Figur, die man als Frau zu seinem Vorbild machen sollte. Ihre Funktion ist aber eine andere: Sie ist pure Motivation, egal ob man nun zu ihr hoch hüpfen, klettern oder fliegen muss.

Ich denke, wenn man sie als das betrachtet – und weniger als passive Frau, die auf Rettung wartet – kann man auch solche passiven DIDs wie Peach verkraften. Am besten mit ganz viel Kuchen!