Nach Samstagabend ist es wohl angemessen diese Frage zu stellen. War der Grand Prix in seiner Urgestalt doch vor allem eine Plattform für Kommunikation, Austausch und Repräsentation der europäischen Völker, so kann er heute kaum mehr bieten als MTV oder Viva.

Nicht zuletzt dürfte diese Tatsache ein möglicher Grund für den Namenswechsel sein. War doch mit „Grand Prix“ in seiner wörtlichen Definition noch kaum eine Annahme auf den Charakter des Events inbegriffen, so kann man mittlerweile aus „Eurovision Song Contest“ doch einiges heraushören: Letztendlich geht es nur noch um einen Wettbewerb verschiedener Sänger, die in irgendeiner Form von Ausschlussverfahren dazu gekommen sind, in einem groß angelegten Finale gegeneinander zu singen.

Fast witzig erscheint daneben Pastor Gereon Alter, der vor Eventstart das Wort zum Sonntag vor laufender Kamera spricht. Er kommt unter anderem auf die Liedtexte einiger Interpreten zu sprechen, in denen ansatzweise eine „Message“ herauszuhören ist. So singen die Dänen etwas davon, dass die jungen Menschen (Boys and Girls) die Welt verändern können und die Bulgarin Poli Genova sagt in ihrem Song „Na Inat“: „Sie werden mir meinen Glauben nicht nehmen, er ist da, er gibt uns Kraft, er gibt uns den Mut, weiterzugehen.“ Doch ist klar zu bemerken: Die Anzahl der Songtexte „mit tieferem Inhalt“ waren bei diesem ESC klar in der Unterzahl. So muss Herr Alter mit dem Rückgriff auf Poli Genova sogar ein Beispiel auswählen, das es leider mit seiner Message nicht über das Halbfinale hinaus geschafft hat. Besonders interessant ist dabei vor allem das Feedback auf seine Ansprache in der Altersgruppe 20-25 in meiner direkten Umgebung: Auf die geistlichen Worte folgt hier vor allem Spott und Lacher.

Dem Endresultat zufolge scheint der Geist des ehemaligen Grand Prix zumindest jedoch noch nicht ganz verloschen zu sein. Obwohl man den „tieferen Inhalt“ von Mika Newton mit „Angel“ für die Ukraine sicherlich kritisch sehen kann und sie wohl auch zu den Popnummern zählen muss, schaffen es mit Bosnien Herzegowina und Dänemark zumindest zwei Länder in die Top 6, die einen Aufruf oder eine für ihr Land charakteristische Musik mitbringen. Etwas leidlich ist dabei der Gewinner und die gute Platzierung Schwedens. Während die Sieger aus Aserbaidschan hauptsächlich den aktuell angesagten „Mode-Musikgeschmack“ von MTV und Viva recht gut nachahmen, klingt Eric Saade für Schweden nach der gut verkäuflichen Version des Minderwertigkeitskomplexes eines in der Schule gehänselten Jungen. Gut aussehend mit Lederjacke, Handschuhen und ein paar zackigen Moves verkauft er seinen Song „Popular“ an den Meistbietenden. Ein „Befreiungsschlag“ sollte es wohl sein, metaphorisch auch schon inszeniert durch das Zerbrechen der Glasscheine seines gläsernen Käfigs in dem er zum Liedende „gefangen“ ist.

Alles in allem bleibt so also die charakteristische Präsentation der teilnehmenden Nationen und die Kommunikation über Ländergrenzen hinweg durch die Musik leider größtenteils aus. Der Grand Prix in seiner modernen Fassung scheint nur noch ein Schatten seiner Vergangenheit und Intention, was gerade in Zeiten immenser Globalisierung zu bedauern ist.