„Bist du schon mal auf einer LARP Con gewesen?“, war die verhängnisvolle Frage, mit der alles seinen Anfang nahm. Von LARP wusste ich zwei Dinge: Erstens, dass es die Abkürzung für Live Action Role Playing oder auch Role Play ist und zweitens… das, was man dem Film Vorbilder über dieses eigenwillige Hobby entnehmen kann:

Was diese Komödie gut näher bringt, ist der Menschenschlag, der sich für LARP begeistert. Was man nicht erfährt, sind die ganzen Regeln, die es zu beachten gilt, wenn man mit Schwert und Schild aufeinander losstürmt. Ein paar davon und einige Abkürzungen möchte ich hier erklären, da alles weitere, was ich über LARP erfahren habe, sonst zu unverständlich wäre.

Die LARP-Basics

Ich denke, mir wäre viel Verwirrung erspart geblieben, wenn mir jemand vor meinem ersten LARP die nun folgenden Dinge erklärt hätte. Da das nicht der Fall war, führe ich meine wertvollen Erkenntnisse nun in der Reihenfolge auf, wie ich sie erhielt.

1. Die Locations

LARP Conquests (kurz Cons) finden meistens an recht entlegenen Orten statt, da man während des Spiels möglichst nicht von Zivilisten überrascht werden möchte (zerstört das Spielgefühl…) Diese Orte können Camping-Anlagen, Wälder, Gewölbe, Burgen, Moore etc. sein. In Burgen finden vor allem Winter-LARPs statt und ich stelle mir das sehr genial vor, auch weniger nass und kalt… und weniger schwer mit dem Auto zu erreichen als… ein Moor.

2. Die Lager

Den Anblick kennt man von Mittelaltermärkten. Es gibt natürlich auch LARPs, die in anderen Epochen spielen (z.b. Wild West-LARPs), aber ich denke, wenn man sich auf diese Optik einstellt, macht man erstmal nichts falsch… ich reiste z.B. mit einem dunkelgrünen Iglozelt an, weil man mir gesagt hatte, das sei nicht so wichtig. Meine Erfahrung: Die richtige Optik ist wichtig!

3. NSCs und SCs

Mir wurde gesagt, die Wahl meiner Übernachtungsmöglichkeit sei nicht so wichtig, weil ich ein NSC war, und das bedeutet ausgeschrieben Nicht-Spieler Charakter. Als solcher hatte ich während der Con zahlreiche verschiedene Rollen, spielte mal einen Untoten, mal eine Wirtin, eine Schankmaid oder auch eine Tänzerin. Als NSC kennt man zudem den Plot, also den Handlungsverlauf, der für das LARP geschrieben wurde. Wie viel davon letztendlich stattfindet, liegt in der Hand bzw. am Geschick der SCs (Spieler-Charaktere).

SCs sind die Helden der Geschichte, die gespielt wird. Sie sind Ritter, Magier, Priester, Bogenschützen, Heiler und vieles mehr. Sie haben einen Namen, Titel, eine ausgefeilte Biografie und nicht selten einen Ruf, der ihnen weit vorrauseilt. Als NSC hat man die Aufgabe, das Spielerlebnis für die SCs so realistisch wie möglich zu machen. Im Kampf gibt man daher (je nach Anweisung) auch mal eher bescheideneres Kampfgeschick vor und stirbt dann einen überzeugenden, schmerzerfüllten „Tod“, sobald man von genug Schlägen getroffen wurde. Ich habe gelernt, dass das einen Mordsspaß machen kann – Ha, Sparwitz… Aber neben den SCs und NSCs gibt es noch eine dritte Partei, auf die der Film Vorbilder zum Beispiel überhaupt nicht eingeht.

4. Die SL

Diese Partei ist mit Regenjacken, Knicklichtern, Walki-Talkies und (im besten Fall) Süßigkeiten bewaffnet. SL bedeutet Spiel-Leitung und anders als im Pen&Paper-Rollenspiel gibt es nicht nur einen Spielleiter sondern ein ganzes Team.

Häufig von Spielern als „rosa Wölkchen“ bezeichnet, nimmt die SL großen Einfluss auf das Spiel ohne nach Spielverständnis wirklich „da“ zu sein. Sie kümmert sich um die Oranisation der NSCs, führt z.B. einen Trupp Untoter zu einem Punkt, an dem ein Kampf mit den SCs stattfinden soll, und hat auch schon mal ein paar Gummibärchen parat, wenn man bei Regen und Kälte ausharren muss, bis die Spieler (endlich) an besagtem Punkt angekommen sind. Im Kampf selber, achtet die SL darauf, dass Regeln eingehalten werden, und sagt an, was passiert, wenn ein Zauber gewirkt wird (raunt dir z.B. zu „Du wurdest vergiftet. Einen Lebenspunkt Abzug“). Aber noch viel wichtiger, die SL kümmert sich fortwährend um die Aufrechterhaltung von:

5. IT und OT

Ich habe gelernt, dass diese beiden Begriffe im LARP so elemantar sind, wie etwa die Information, bei welcher Ampelfarbe man die Straße überqueren darf (also OT). Ich selber hatte von diesen beiden Begriffen leider überhaupt keine Ahnung, deshalb aufgepasst:

IT bedeutet in time. Man muss sich das wie bei einem Schauspieler vorstellen, der sich in eine Rolle einfühlt; also sich so sehr in eine Rolle hineinversetzt, dass sie für ihn zu einer zweiten Haut wird. Im LARP ist man als SC aber nicht nur vor einer Kamera oder auf einer Bühne IT, sondern solange offiziell die Handlung des Cons dauert! Deshalb kann man Spieler auch nicht mit Schauspielern gleichsetzen. Das Spiel eines SCs ist in den meisten Situationen nicht wirklich künstlerisch, sie sind keine ausgebildeten Schauspieler, aber sie leben ihre Rolle, manche mit Klasse andere wirken etwas blass.

OT ist der genaue Gegensatz und bedeutet out time. Also wie die Zeit, die man als Schauspieler off stage verbringt. Als NSC ist man die meiste Zeit OT, verhält sich also wie im richtigen Leben auch und lässt sich mit seinem richtigen Namen ansprechen. Es gibt bereiche, die offiziell OT-Bereiche sind, z.b. das Schlaflager der NSCs oder die Requisite. Aber genauso findet sich eine Menge IT-Bereiche, in denen man Probleme bekommt, wenn man sie in zivil oder auch als Untoter, der nicht dorthin gehört, betritt. Will man trotzdem solch einen Ort durchqueren, verschränkt man die Hände vor dem Oberköper zu einen „x“ und gilt somit als nicht existent. Kleiner Tipp: Auf diese Weise „Ihr-seht-mich, ihr-seht-mich-nicht“ zu spielen, kommt auch nicht so gut…

Die Vorurteile

Was sind das für Menschen die auf ein LARP gehen. Nerds? Gamer, die ihre Spiele im real life erleben wollen, ohne Lags und Ladezeiten? Ich glaube, damit macht man es sich zu einfach. Viele, der Männer, die ich unter den NSCs kennen gelern habe, wirkten auf mich etwas kindisch, aber das kann auch an der Situation liegen: Beim Anblick von Schaumstoff-Schwertern, -Keulen und -Schilden wird jeder gern wieder zum Kind. Auch ich verglich mit einer anderen LARPerin einmal die Länge unserer beiden Schwerter – und wir amüsierten uns köstlich.

 

Es gibt demnach auch Frauen, die auf Cons gehen. Gerade unter den SCs ist ihre Zahl annähernd so groß wie die der männlichen Spieler. Allerdings waren viele der Frauen, die ich auf meinem Con gesehen habe, mit einem anderen Spieler zusammen und hatten das teilweise auch in die Biografien ihrer SCs aufgenommen. LARP-Pärchen sind auf eigenwillige weise romantisch, ich denke hierbei etwa an die beiden Ariun-Priester, die bereit waren, Hand in Hand in der finalen Schlacht in den Tod zu gehen, als sie von der bösen Nekromantin gefangen genommen wurden…

 

Vielleicht ist das auch die angenehmste Weise als Frau ein LARP zu erleben. Denn ich habe zu meinem Leidwesen erfahren, dass man als Single-Frau sehr viele unwillkommene Aufmerksamkeiten abwimmeln muss. Die Natur des LARPs bringt hierbei noch eine interessante Komplikation: Es ist im wahren Leben schon schwer genug, auf Anmachsprüche fremder Männer zu reagieren, aber was, wenn das in IT geschieht? Werde dann ich belästigt oder nur meine Figur? Und was, wenn ich eine Schankmaid bin, der aufdringliche Mann aber ein Ritter? Ich kann nur eins sagen: Während der 2 1/2 Tage des Cons wurde ich mindestens 5 mal aufgefordert mich auf den Schoß von jemandem zu setzen, den ich nicht näher kannte und 3 Männer boten mir an, sich Nachts „zu mir ins Zelt“ zu legen, weil es doch so kalt wäre… einer davon meinte das sehr ernst. Gleich am ersten Abend gab es einen für mich unangenehmen Zwischenfall, als ein paar SCs sich darüber unterhielten, ob und wie sie mein Mider ausziehen sollten, das ich als Wirtin trug. Besonders als für ein paar Sekunden das Licht ausging, ging mir diese Situation entschieden zu weit!

Die Kämpfe haben unglaublich viel Spaß gemacht und das Mittelalter-Feeling war in manchen Situationen unglaublich, aber ich würde Frauen raten, sich für das erste LARP eine männliche oder weibliche Begleitung zu suchen, der sie wirklich vertrauen (OT selbst verständlich). Gerade als LARP-Pärchen macht es sicher viel Spaß, oder auch als Mann und ich würde jedem, der etwas sucht, dass seinen Horizont in eine völlig andere Richtung erweitert, raten, mal auf eine Con zu gehen. Angebote gibt es reichlich in ganz Deutschland. Also rann an die Schwerter, rein in die Rüstung und loooos!