Liest man den Lebenslauf von Michail Paweletz ohne ein Bild von ihm zu sehen, man würde meinen er wäre – ich sage jetzt bewusst nicht Deutscher, denn das ist er – aber man würde denken, er wäre ein Weißer. 1965 in Heidelberg geboren und aufgewachsen, Violinstudium in Hamburg und Essen. Sprecher für private Fernsehanbieter. Mitte der 90er beginnt er beim NDR-Hörfunk als Sprecher und Moderator, auch im Fernsehen ist er weiterhin als solcher aktiv. 2004 dann der Sprung zur Tagesschau – Nachtausgabe, Montag bis Freitag von 0 bis 1 Uhr. Seit 2005 sieht/ hört man ihn laut ARD (Lebenslauf von Michael Paweletz hier) im Nachrichtenblock des Nachtmagazins.

Kurz vorweg – mir war Paweletz‘ Gesicht vor dieser Anekdote unbekannt. Als ich kürzlich auf der Startseite von tagesschau.de die „Tagesschau in 100 Sekunden“ ansah, in der der Sprecher kurz am Anfang zu sehen ist und die kommenden Berichte stimmlich begleitet, wurde ich richtig stutzig und musste noch einmal auf Anfang zurückspringen. Hatte ich richtig gesehen? War das ein farbiger Moderator? In der ARD?

Ist das ein erster zaghafter Schritt, die Zuschauer auf „Moderatoren mit (wirklich sichtbarem) Migrationshintergrund“ vorzubereiten und den vielen Menschen da draußen vor den deutschen Fernsehern zu sagen: „Ja, auch wir sind bereit unsere Gesellschaft so zu repräsentieren, wie sie ist: gemischt.“

In den 90ern und den Anfängen des 21. Jahrhunderts gondelten farbige Moderatoren eher in den mittäglichen Talkshows auf den Privatsendern herum. Man erinnere sich an Arabella (mit der gleichnamigen Sendung auf Pro7; deutsch-ghanaische Abstammung) oder Ricky (mit Ricky! auf Sat1; Afroamerikaner). In dieser Hinsicht sind die Privaten ausdrücklich zu loben. Sie haben ihre farbigen Angestellten nicht in den Nachtsendungen versteckt. Doch bis der erste seiner Art erst in die Formate mit großem Zuschaueranteil kam, dauerte es auch bei den Privatsendern bis 2006, als Daniel Aminati (deutsch-ghanaische Abstammung) der Nachfolger von Aiman Abdallah bei Galileo wurde. Natürlich, Abdallah hat ägyptische Wurzeln. Aber er wirkt nicht sehr auffällig. Könnte auch eine George Clooney-Kopie sein. Und der ist ja bekanntlich amerikanischer Herkunft. Quasi Europäer.

Aber die Privaten, das sind nun mal nicht die Öffentlich-rechtlichen. Und eine Talkshow ist nicht vergleichbar mit den Hauptnachrichten um 20 Uhr. Privat oder Öffentlich-rechtlich hin oder her. Das wäre doch wirklich mal ein Statement, wenn ein Farbiger oder ein Türke, ein Russe oder Pole in den Hauptnachrichten säße.

So wie die Franzosen es 2005 gemacht haben, mit Audrey Pulvar. Sie stammt von Martinique, einer karibischen Insel der Antillen, die ein französisches Überseedépartement ist. Pulvar ist die erste farbige Nachrichtenmoderatorin Frankreichs. Dort bilden die Schwarzen und Araber die größte Gruppe an Bürgern mit Migrationshintergrund. Sie sind noch wesentlich präsenter als bei uns, dementsprechend ist die Forderung nach einem farbigen Gesicht in den Hauptnachrichten in Deutschland vielleicht nicht die richtige. Aber zumindest ein Türke oder eine Türkin müssten dort sitzen. Denn gerade die Öffentlich-rechtlichen, die mit ihrem Programm einen Schnitt durch die Gesellschaft ziehen wollen, sollten das auch beim Personal machen. Und schließlich sind etwa drei Millionen Türken Teil unserer Gesellschaft.

Eine türkische Moderatorin gibt es im ZDF bereits. Hülya Özkan komoderiert „heute in Europa“. Auch im ZDF zu sehen, konkreter im Morgenmagazin, Cherno Jobatay. Die Mutter ist Deutsche, der Vater aus Gambia. (http://morgenmagazin.zdf.de/ZDFde/inhalt/22/0,1872,1021142,00.html).

Sicherlich gibt es andere Gründe, warum Herr Paweletz noch nicht tagsüber mit reichweitenstarken Sendungen der ARD auf dem Bildschirm zu sehen war. Vielleicht war er nicht gut genug oder es gab es schlichtweg nicht die Notwendigkeit, eine Stelle neu zu besetzen. Seit … sechs Jahren. Wo wir schon dabei sind, die Frauenquote zu diskutieren, wie wäre es mit einer „Nachrichtensprecher mit Migrationshintergrund – Quote“?