Jetzt gibt es Waschbärhelden, die auf der ganz großen Superheldenleinwand auf Baumhelden reiten. Die Dreharbeiten zu The Avengers 2: Age of Ultron wurden Anfang August beendet und wir alle erwarten den Frühling, um das nächste Whedon-Meisterwerk zu sehen.

Aber auf einer kleinen Insel, viel näher an unserem schönen Fleckchen Erde, welches einmal mehr zufällig den Namen „Deutschland“ bekam, gibt es einen Superhelden, der gerne nicht als solcher wahrgenommen wird. Ein Held, der neben London und der Erde auch noch mehrfach das ganze Universum und Raum-Zeit-Gefüge gerettet hat.

Es kommt mir vor wie vor einer Ewigkeit, dass ich von Steven Moffat erzählt habe. Der Mann, der hinter den Kulissen von Sherlock seinen Ruhm erntet, sein Geld allerdings nicht mit den drei Episoden verdient, die er alle paar Jahre dreht. Sein Tagesjob ist momentan Doctor Who.

Für Uneingeweihte stellt sich unweigerlich und zwingend genau die Frage. Die älteste Frage der Galaxis: Doctor Who?

„The oldest question in the universe!“

“When they made this particular hero, they didn’t give him a gun, they gave him a screwdriver to fix things. They didn’t give him a tank or a warship or an x-wing fighter, they gave him a call box from which you can call for help. And the didn’t give him a superpower or pointy ears or a heat ray, they gave him an extra heart. They gave him two hearts. And that’s an extraordinary thing; there will never come a time when we don’t need a hero like the doctor.”
– Steven Moffat

Ich gebe zu, dass diese Antwort zwar nicht sehr hilfreich ist, wenn man sich eine unbekannte Serie vorstellen will. Dafür verweise ich auf die scharfsinnigen Leute hinter How It Should Have Ended, wo ein paar amerikanischen Superhelden ein ähnliches Problem haben. Superhelden sind sowieso wichtig. Das durch und durch amerikanische Phänomen wird nämlich von Doctor Who nicht mal richtig wahrgenommen und trotzdem überholt, wie er hier immer und immer wieder betont, because he’s basically a superhero for the universe!

Wem noch nicht ganz klar ist, wer oder was der Doctor eigentlich ist, dem kann ich hier nur Doctor Nummer 11 vorstellen, der die Quintessenz zusammenfasst. Außerdem: Tolle Musik (mit unpassender Instrumentalbegleitung), schöne Frauen, Weltraumkürbisse und universes where the laws of physics are deviced by the mind of a mad man. Und er rettet den Tag eben dadurch, dass alle satt werden.

Aber es ist nicht alles Tränendrüse und schrullige Fliegen tragende Clowndoktoren. Und es klappt auch nicht immer alles. Menschen sterben. Doctor Who ist eine dieser Serien, die es schaffen, in einer Folge größte Tragik aufzubauen, oder weiter gefasst Epik, und in der nächsten einen Klassiker der modernen Komödie zu schreiben. Ein Moment ist Spiel und Tanz, der nächste Zittern und Weinen.
Der neue Doktor verspricht düsterer zu werden. Die Alten konnten das aber auch. Gerade wibbly-wobbly timey-whimy Doctor Nummero 10, David Tennant, war ein harter Brocken und nicht der erste, der Genozid betrieben hat. Matt Smith danach war vielleicht noch härter, denn er konnte damit leben.

„Propably get a new body soon“

Denke ich daran zurück, wie wenig ich über diese Serie gewusst habe, bevor ich sie sah, muss ich aber wohl ein bisschen zurückdrehen und erklären. Denn wer aufmerksam mitgesehen hat und wirklich keine Ahnung vom Format hat, der wird sich über die wechselnden Schauspieler wundern. Der Doctor ist ein Time Lord, eine Rasse, die so lange dem Time Vortex ausgesetzt war, dass sich einige Dinge fundamental geändert haben. Zum Beispiel regenerieren sie sich, wenn sie sterben und sie bekommen einen neuen Körper. Das erklärt, wieso ihr hier einmal den Zuschauerliebling David Tennant habt und einmal den viel cooleren Matt Smith. Das erklärt, wieso an diesem jenen 23. August Peter Capaldi als der zwölfte Doktor in der achten Staffel übernimmt, und das erklärt, wieso es vor diesen acht schon 26 in einer ersten, uhm, Flotte gab, die von ’63 bis ’89 lief. Die Namen der zwölf Darsteller sind in gewissen Kreisen ähnlich berühmt wie die der Enterprisebesetzungen.
Peter Capaldi verspricht jetzt der düsterste unter den Doktoren zu werden, die immer sehr zweigesichtig waren. Er stellt seiner Companion Clara Oswald die Frage: „Am I a good man?“

„I will not forget one line of this“

In Wirklichkeit wird man mit mehr Doctor Who konfrontiert als man glaubt. Ich behaupte, dass jeder von euch die Dalek-Roboterstimme vom Beginn des Trailers schonmal im ein oder anderen Moment ihr klassisches „Exterminate!“ rufen gehört hat. Es gibt kaum eine Serie mit Selbstrespekt, die nicht irgendwo einen Dalek ins Regal stellt. In Big Bang Theory gibt es regelmäßige Anspielungen. „Inspector Space-Time“ in Community ist nicht einfach nur eine generische Sci-Fi Serie. Doctor Who gesehen zu haben, ist wie einen Schleier zu lüften und plötzlich die komplette Popkultur ganz anders zu sehen. Überall werden Dinge entdeckt, die sonst unsichtbar wären. TV-Geeks werden unweigerlich regelmäßig über Doctor Who-Referenzen gestolpert sein, und werden sich letztendlich der Liebe unterworfen haben. So ging es mir jedenfalls. Und ich habe keine Sekunde bereut, auch wenn sich die erste Staffel ein bisschen schwer angeht und es immer wieder merkwürdige Episoden gibt – wie in jeder Serie. Dafür wird Doctor Who aber auch mit jedem Mal raffinierter, durchdachter und tiefer. Und eine Serie, die es schafft, über Jahre hinweg Spannungsbögen aufrecht zu erhalten und, im Gegensatz zu anderen Serien wie Lost, sich nicht verzettelt, ist eine gute Serie. Wenn zur 50-Jahre-Jubiläumsfolge plötzlich der Name „Bad Wolf“ fällt, stellen sich alle Nackenhaare auf, denn es wird ein sieben Jahre alter Knoten völlig folgerichtig und natürlich geknüpft und aufgelöst.

Also los! Schaut Doctor Who! Ihr werdet lachen, ihr werdet weinen, es wird euer Leben verändern. Meins ist jedenfalls verändert worden. Und jetzt kann ich hier stehen und behaupten, dass es sich bei Doctor Who um die beste (Sci-Fi)Serie handelt, die nur im schmutzigen Kampf gegen Battlestar Galactica verliert und von Star Trek höchstens durch Übermacht erdrückt wird.

So say we all!