Jörg Pilawa ist ein entspannter Typ und eigentlich die Routine in Person – doch ausgerechnet bei der Premiere seiner neuen Sendung Quizduell musste er aufpassen, dass ihm seine Gesichtszüge nicht komplett entgleisen. Wie konnte denn sowas passieren? Eigentlich hat sich das Erste doch ein erfolgsversprechendes Konzept ausgedacht: Vier Studiokandidaten treten gegen Tausende Online-Nutzer der App Quizduell an, die weltweit mittlerweile über 15 Millionen Mal heruntergeladen wurde. Dabei können die Benutzer der App nicht nur mitraten – wenn sie gegen die Kandidaten gewinnen, wird das Preisgeld gerecht unter ihnen aufgeteilt. In der Theorie. Das Hauptproblem der ersten beiden Sendungen: Die 15.000 Server der für die Sendung zugeschnittenen Quizduell-App lagen völlig lahm, das Konzept war so schlichtweg nicht zu realisieren. Das ist noch nicht alles: Scheinbar konnte man wegen eines Datenlecks problemlos auf die Informationen von über 50.000 Nutzern zugreifen. Nach ersten wilden Gerüchten am Montag, dass ein einziger Hacker die Server lahmgelegt habe, dann am Dienstag: „Wir suchen nach wie vor nach dem Fehler.“ So mussten die Kandidaten stattdessen gegen das Publikum im Studio antreten. Die ARD ist nach wie vor mächtig stolz und verkündet auf ihrer Homepage: „Eine neue Generation von Quiz, die – erstmals weltweit – aus einer App entwickelt wurde.“ Neue Generationen, die mit Grauem Star und Krückstock zur Welt kommen, sind selten erfreulich.

Der Schock war bei Jörg Pilawa allerdings schnell überwunden. Andere Moderatoren hätten wahrscheinlich die Flinte ins Korn geworfen und daher sollte man bei aller Häme nicht vergessen, dass er bis jetzt einen großartigen Job gemacht hat. Die ersten beiden Ausgaben des Quizduells hatten zwar wenig mit dem eigentlichen Konzept zu tun und besonders der Beginn der Premiere sorgte mit zahllosen Pannen für einen gewissen Fremdschäm-Faktor (Beginn weit vor 18 Uhr, Moderationskarten waren verschwunden etc.), doch letzten Endes waren sie unterhaltsam. Ohne viel Palaver hat Pilawa aus der Not eine Tugend gemacht, herrlich mit dem Studiopublikum interagiert und mit einer gehörigen Portion Selbstironie die Stimmung aufgelockert. So schlug er zum Beispiel vor, man könne als Zuschauer alternativ einfach zu Zettel und Stift greifen. Mit Blick auf die Telenovela Verbotene Liebe, die normalerweise den Sendeplatz von Quizduell besetzt, scherzte er, dass scheinbar auch eine Liebe zwischen Fernsehen und dem iPhone verboten sei. Aber ist es denn grundsätzlich eine schlechte Idee, Sendungen zu entwickeln, die neue Medien wie Internet oder Smartphone stark mit einbeziehen? Pilawa gab nach der Premiere bereits eine recht deutliche Antwort: „Meine Damen und Herren, das war der Versuch, die App ins Fernsehen zu holen. Der ging komplett in die Hose. Vielleicht kommt schon morgen wieder Verbotene Liebe.“

Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen – besonders auf Twitter wird mit viel Genuss über das bisher gescheiterte Konzept der ARD gelästert. Ein anderer Versuch in diesem Jahr, die Netzgemeinde zum grundlegenden Element einer Sendung zu machen, ist aber noch viel katastrophaler gescheitert: Die Millionärswahl auf ProSieben. Damals konnte sich jeder auf der Internetseite mit Fotos, Videos und Texten bewerben, um „der erste gewählte Millionär in der Geschichte des deutschen Fernsehens“ zu werden. Die Macht lag in den ersten Monaten voll und ganz in den Händen der Community. Auch hier begaben sich die Produzenten der Sendung auf neues Terrain und verhungerten kläglich – nach zwei Liveshows mit peinlichen Zuschauerzahlen wurde die Sendung gekürzt, auf einen anderen Sendeplatz verschoben und das Finale schließlich ins Netz verbannt. Das Konzept wurde überhaupt nicht von den Zuschauern angenommen. Ein Grund könnte sein, dass es nur wenige Künstler in die engere Auswahl schafften, sondern in erster Linie gutmütige Opas, die ihrem Enkel ein schönes Leben bereiten wollten. Menschlich super, aber eben nicht wirklich spannend. Gewonnen hat die Million übrigens kein Opa, sondern der Geschäftsführer des Deutschen Hanf Verbandes. Ein von vorne bis hinten gescheitertes Experiment. Wird das Quizduell das gleiche Schicksal erleiden?

Hoffen wir, dass man bei der ARD die Panne schnell behebt, die Datensicherheit erhöht, die dreiwöchige Probenphase übersteht und dann schließlich doch als gutes Beispiel vorangeht, wie das Internet und das Fernsehen ineinandergreifen können. Bislang fokussiert man sich dabei zumeist auf den Second Screen, also zum Beispiel das parallele Kommentieren auf Twitter und das Surfen auf der Homepage von Game of Thrones, während man sich die neue Folge anschaut. Ob es dem Fernsehen frisches Leben einhauchen kann, wenn die Produzenten das Internet auch stärker im First Screen einbringen und ob sie sicherstellen können, dass ein Hackerangriff dann nicht mehr ein ganzes Konzept zerstört, bleibt abzuwarten. Also: Drückt bitte die Daumen, dass die Server in der heutigen Sendung endlich funktionieren.

Nachtrag: In der dritten Sendung geht es lange nicht um das Quiz, sondern um die Pannen – eine Menge Galgenhumor in den ersten Minuten. Nach wie vor muss das Publikum einspringen, denn die App funktioniert noch immer nicht. Der Grund ist inzwischen auch bekannt: Eine so genannte Denial of Service Situation ist eingetreten, bei der die Server überlastet wurden und den Geist aufgaben. Es habe Hacker-Angriffe gegeben, doch auch das ARD habe Fehler gemacht. Falls die App auch bei der vierten Sendung nicht funktioniert, sehen wir Pilawa bald bei einem Gastauftritt in der Verbotenen Liebe. Ein eher schwacher Trost. In der nächsten Woche gibt es ein Quizduell-Prominentenspecial zur besten Sendezeit. Na, bis dahin sollte es dann doch klappen, oder?