Meet Josef!

Unfreiwillige Helden sind meistens besonders sympathisch.
Den kleinen Blechbüchsen-Roboter Josef erwischt es jedenfalls eiskalt. Eines Tages wird er auf dem Schrottplatz vor der Roboterstadt abgeladen. Ob es sich dabei wohl um einen Unfall oder um Absicht handelt? Nachdem er alle seine Einzelteile wiedergefunden und erfolgreich zusammengesetzt hat, macht er sich auf den Weg zurück in die Stadt.

Hat er es einmal mit einigen Tricks am starrköpfigen Torwächter vorbeigeschafft, geht der Ärger erst richtig los: Josef wird Zeuge einer Verschwörung fieser Bombenleger (zu erkennen an ihren schwarzen Mützen), die die ganze Stadt ins völlige Chaos stürzen wollen. Er muss unbedingt die Explosion verhindern und außerdem seine verschwundene Freundin Berta finden, die offenbar entführt worden ist.

Also nichts wie los: Viele Aufgaben warten auf den kleinen, manchmal etwas verklemmten Roboter, aber der lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen.
Unter anderem gilt es, einem der Bösewichte den Schlüssel zu Josefs Gefängsniszelle vom Gürtel zu stehlen. Außerdem muss einer Band von Straßenmusikern geholfen werden, ihre Instrumente zu reparieren. Nachdem zuletzt die Zangenkopf-Ratte aus dem Didgeridoo verjagt worden ist, beginnt das fröhliche Jammen. Und das hört sich so gut an, dass sogar der sonst so schüchterne Josef mal jeden Zeitdruck vergisst und ein bisschen die Hüften schwingt.

Sehr praktisch ist, dass sich Josef beliebig verkleinern oder in die Länge ziehen kann, um zum Beispiel durch niedrige Tunnel zu passen oder um höhergelegene Dinge zu erreichen. Bei aller Hektik vergisst der ordentliche Roboter auch nicht, hinter sich aufzuräumen, und verstaut scheinbar zwecklose Dinge erst einmal sicher in seinem Blechdosen-Körper.

Im Gegenzug für seine Hilfe erhält Josef außerdem weitere nützliche Gegenstände von den Stadtbewohnern, unter anderem das Radio, mit dem er einem depressiven Rohrzangen-Männchen wieder etwas Lebensfreude einhauchen kann. Manchmal müssen auch verschiedene Dinge miteinander kombiniert werden, um die nächsten Aufgaben zu lösen.

Alle Bilder: Daedalic Entertainment/Amanita Design

Rätselhafte Rätsel

Was Josef neben seiner höflichen Art zu einem besonders geeigneten Weltenretter macht, ist seine unbegrenzte Neugier: Jeder Raum, jeder Platz der Roboterstadt ist mit verschiedenen Puzzles und Rätseln versehen, die es zu lösen gilt.
Hinweise gibt es kaum, die Lösungen lassen sich meist nur durch einiges Herumexperimentieren finden. Manchmal braucht es auch gar keinen Schlüssel, um durch die Tür in den nächsten Raum zu gelangen, es funktioniert ebenso gut, durch verschiedene Rohre zu kriechen. Hier ein Hebel, da eine versteckte Schaltfläche: Ab und zu kommt Josef nicht voran, weil er seine Umgebung nicht gründlich genug abgesucht hat. Stromkreise müssen unterbrochen und wieder verbunden werden, um verschiedene mechanische Einrichtungen zu anderen Zwecken zu verwenden, als sie eigentlich vorgesehen sind. Auch Schiebepuzzles unterschiedlichen Schwierigkeitsgrads müssen gelöst werden, aber ein bisschen Geduld führt bald zum Erfolg.

Der Unterhaltungsspaß kommt nicht zu kurz: In der alten Spielhalle der Stadt muss Josef sämtliche High-Scores aller Spielautomaten brechen, um sich das Kleingeld für dringend benötigte Ersatzbatterien für ein ausgefallenes Roboterbaby zu verdienen. Hier gibt es zum Beispiel ganz retro-mäßig eine Version des legendären Arcade-Games Space Invaders zu zocken.

Die größte spielerische Herausforderung besteht jedoch im Besiegen des Fünf-gewinnt-Champions in der Schmieröl-Bar. Hier braucht Josef einige Anläufe und muss auch etwas hämischen Spott einstecken. Hartnäckigkeit zahlt sich aber aus, denn nach einem Sieg über den Champion-Roboter regt sich dieser so sehr auf, dass sich die benötigten Schrauben überall im Raum verteilen.

Die Zeit drängt: Wo steckt Berta? Wird Josef es rechtzeitig bis zum höchsten Turm der Stadt schaffen, an dessen Außenwand die Bombe geklebt ist? Oder werden ihn seine Verfolger einholen? Und wird es ihm tatsächlich gelingen, die Katastrophe zu verhindern?

Ein kurzes Kunstwerk

Machinarium ist ein preisgekröntes Adventure-Spiel von 2009 aus dem Hause Daedalic Entertainment und vom Entwickler Jakub Dvorsky (Amanita Design), der auch schon für die beliebten Flashspiele Samorost und Samorost 2 bekannt war. Ein Nachfolger ist das ebenfalls sehr hübsche Botanicula von 2012, das den bereits erprobten Spielstil in einer neuen, organischeren Welt umsetzt. All diese Spiele verzichten fast vollständig auf Dialoge und zeichnen sich durch einen innovativen Mix von Adventure-Elementen (Inventar), Mini-Spielen und völlig neuen Spielprinzipien aus. Vor allem zu erwähnen sind die durchweg knuffigen Charaktere und die liebevoll handgezeichneten Hintergründe.

Besonders im Fall von Machinarium ist wirklich jede neu erkundete Umgebung ein kleines Kunstwerk für sich. Immer eine treffende Mischung aus Schönheit und Düsterlichem. Es macht großen Spaß, die vielen Details zu entdecken.

Alle für die Story wichtigen Informationen werden ohne Sprache über kleine Schwarz-Weiß-Animationen in Gedankenblasen vermittelt. Erst ganz am Ende werden alle offenen Fragen beantwortet und die Geschichte ergibt ein rundes, auch emotional anrührendes Ganzes. Für allzu kniffelige Rätsel-Situationen steht im Fall des Falles immer eine Komplettlösung parat, die muss allerdings auch erst jedes Mal aufs Neue freigeschaltet werden.

Außerdem gebührt dem Soundtrack von Tomás Dvorak eine lobende Erwähnung. Der sorgt einerseits zusammen mit der faszinierenden Soundcollage für die passende Atmosphäre in der etwas trostlosen Roboterstadt, verleiht andererseits aber auch den lustigen und den bewegenden Momenten der Story den richtigen Hintergrund (unter anderem mit dem Pipe Wrench Dubstep).

Ein, zwei Nachteile hat das Spiel dann natürlich leider auch: Weil es sich um ein reines Flash-Spiel handelt, verschwinden gespeicherte Spielstände jedes Mal, wenn das System von temporären Dateien gereinigt wird. Das kann unter Umständen zu einigem Frust führen.
Am traurigsten ist jedoch, dass die Spieldauer von Machinarium nicht besonders lang ist. Nach fünf Stunden etwa hat man alle Rätsel gelöst. Und der Knackpunkt ist hier, wie bei allen Point- and Click-Adventures, der Wiederspielreiz. Der hängt natürlich vom Geschmack jedes Einzelnen ab.

Für mich persönlich war Machinarium der Einstieg in Indie-Games und das Adventure-Genre. Und weil die ganze Roboterwelt so schön gemalt ist, und der Soundtrack so abwechslungsreich ist und der kleine Roboterheld so sympathisch ist, krame ich es ab und zu gerne wieder hervor.