„Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen!“ Und ein Rätsel ist er geblieben: König Ludwig II. von Bayern. Seine Märchenschlösser (Schloss Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee) sind die bedeutendsten touristischen Atraktionen Bayerns und jeder, der die außergewöhnlichen Bauwerke besichtigt, fragt sich unweigerlich: Was war das für ein Mann? Genie oder Wahnsinniger? Viele Verfilmungen haben versucht, der Person Ludwig näher zu kommen. 40 Jahre nach Luchino Viscontis international annerkannten, vierstündigen Film Ludwig II, wagten sich Peter Sehr und Marie Noelle an eine neue Verfilmung.

Die Regisseure strebten an, nahe an die Wahrheit heranzukommen, recherchierten sogar in bisher unveröffentlichtem Material. Der Film fängt eigentlich auch gut an und eröffnet sofort einen roten Faden, auch wenn die Charaktere, v.a. Ludwig, und Konflikte am Anfang beinahe zu bilderbuchhaft eingeführt werden. Es werden vor allem Ludwigs Furcht, König zu sein, seine Angst vor dem Krieg und das daher resultierende Ziel, durch die Kunst, v.a. der Musik Wagners, den Krieg zu verdrängen und ewig Frieden zu sichern sowie Ludwigs homosexuelle Neigungen thematisiert. Später, nachdem die Geschichte mit Wagner sehr abrupt geendet ist und die Konflikte durch Krieg ebenfalls durchgespielt waren, verlor der Film ein bisschen den roten Faden und einige Teilhandlungen, z.B. Ludwigs geisteskranker Bruder Otto, werden nicht mehr weiter aufgegriffen. Der Film thematisierte dann nach einem Zeitsprung Ludwigs spätere Jahre und sein Ende.

Meiner Meinung nach ist der Film zu sehr auf einzelne Ereignisse fokussiert, es werden viele Leerstellen gelassen, z.B. Ludwigs angeblich sehr tiefe Beziehung zu Königin Elisabeth von Österreich. Dagegen ist theoretisch nichts einzuwenden, aber folglich ist es schade, dass dann die größte Leerstelle, nämlich Ludwigs Tod, gefüllt wurde.

Die Macher behaupten, nahe an der Wahrheit dran zu sein, jedoch habe ich nicht das Gefühl, Ludwig nun besser zu kennen. Der Film bietet weder eine reine Außen- noch eine Innenansicht Ludwigs, sondern ist ein Mischmasch dazwischen. So ist Ludwig II. oft nicht wirklich zu verstehen und am Ende ist er für meinen Geschmack zu wahnsinnig dargestellt, obwohl die Regisseure in einem Interview behaupten, dass sie ihn in seinen letzten Jahren durchaus noch als zurechnungsfähig sehen. Gerade durch diese Undurchsichtigkeit seines Charakters ergeben sich witzige Szenen, die gut unterhalten und in denen man mit einem Lachen den Kopf über Ludwig schütteln kann, aber von Erhabenheit oder Tragik, welche ich bei seiner Person oder wenn ich mir seine Bauwerke ansehe immer empfinde, ist jedoch wenig vorhanden. Da bietet Viscontis Werk mehr davon.

Deutsche Produktionen, vor allem im Kostümfilmbereich, haben für mich persönlich immer den Anschein einer „modernen Authentizität“: Man will die Sachen modern authentisch darstellen und so zieht sich auch durch den Ludwig ein „moderner Glanz“ der Bilder, der mich manchmal ein wenig an die neuen Märchenverfilmungen erinnert. Auch habe ich immer das Gefühl, die Produktion zu sehen, d.h. die Welt drum herum wird zu wenig visualisiert. Man hat das Gefühl, die Begrenzung der Sets zu spüren. Nur selten gibt es zum Beispiel mal einen Blick durch ein Fenster. Es scheint, dass der Film an Kosten gespart hat, indem größere Szenen vermieden wurden. Ich persönlich hätte zum Beispiel gerne etwas von den Besuchen Ludwigs im Lande gesehen, von denen nur in der Kutsche auf dem Weg dorthin Rede ist. Auch das Set eines Schlachtfeldes, welches Ludwig besucht, war sehr spärlich.

Generell hätte der Film visuell mehr bieten können. Mehr Dynamik in den Szenenfolgen und Montagen würden dem Film meines Erachtens gut tun. Vor allem im Bereich der Königsschlösser oder auch Wagner hätte ich gerne mehr Montage gesehen, da der Bau der Schlösser so mehr als unterging, dabei sind gerade diese Schlösser das unwiderrufliche Erbe Ludwig II. Auch wurden die Schlösser (z.B. die Wandgemälde in Neuschwanstein) sehr von Wagners Werken inspiriert, was man, finde ich, wenn man den Fokus schon auf Ludwigs Liebe zu Wagner setzt, mehr hätte thematisieren können.

Großes Lob gebührt dem Darsteller des jungen Ludwigs Sabin Tambrea. Wäre sein einnehmendes und charismatisches Schauspiel nicht, würde der Film viel an Qualität verlieren. Gerade deswegen ist es sehr schade, dass der ältere Ludwig von einem anderen Darsteller gespielt wird (Sebastian Schipper). Die Begründung der Regisseure ist plausibel: Ludwig ähnelte in seinen späteren Jahren seinem jüngeren Ich fast gar nicht mehr. Dennoch finde ich, dies gleich durch einen Darstellerwechsel darzustellen, als zu übertrieben, schließlich war Ludwig in der Jugend wie im Alter ein und derselbe Mensch. Im Film selber ist der Darstellerwechsel auch zu krass dargestellt. Kein wirklich sanftes Überführen findet statt, denn durch die Aussparung eines großen Zeitraumes finden wir uns plötzlich Jahre später mit dem älteren König konfrontiert. Hier hätte ich persönlich vielleicht lieber in eine aufwendige Maske investiert und Sabin Tambrea als Ludwig durchspielen lassen.

Trotz allem möchte ich den Film nicht schlecht reden, denn er ist wirkliche eine gute Unterhaltung. Er tritt eben ein schweres Erbe an nach Viscontis vierstündigen Film, in welchem Ludwigs Leben gänzlich dargestellt wird und Helmut Berger ebenfalls mit einem charismatischen Schauspiel sowie Romy Schneider mit ihrem erneuten Auftreten als Sissi bestechen. Vielleicht ist der Stoff Ludwigs einfach nicht auf zwei Stunden und zwanzig Minuten Film hinunterzubrechen.