Wir haben erst kürzlich erfahren, wie drogenverseucht unser betuliches Oberfranken unter seiner Oberfläche tatsächlich ist. Das filmtragende Liebespaar von „In der Welt habt ihr Angst“ sind krasse Heroinjunkies und ihre Heimat heißt Bamberg. Beschert uns Hans W. Geißendörfer nun quasi den passenden Spielfilm über den heimischen Drogensumpf?

Nein, denn die Drogen sind bei Geißendörfer vielmehr das, was bei Romeo und Julia die familiären, sozialpolitischen Umstände sind. Sie verbinden und reißen sie doch im selben Moment auseinander. Und so geht es um was es im Grunde immer geht: die (naive) Liebe. Hier wird sie auf eine fast klassische Weise melodramatisch verhandelt.

Das fängt schon bei der Grundkonstellation der Figuren an. Die Studentin Eva (Anna-Maria Mühe) ist nach dem frühen Tod der Mutter aufgewachsen unter der Obhut eines disziplinierten Kantors, ihr Vater (Hans Zischler). Ihre Liebe zu dem Langzeitjunkie Jo (Max von Thun) ist ihre Form der Rebellion und ihre Partizipation an der Spritze ihr Ausdruck von unmittelbaren Liebe. Natürlich ist sie schwanger und natürlich wollen die beiden nun weg, neu anfangen, clean und gute Eltern werden. Und das Ziel solcher pubertär-illusionistischen Phantasien ist selbstverständlich Neuseeland, wo die Freiheit naturgeschaffen scheint. Solche Träume müssen platzen und bei dem Versuch sich das nötige Geld zu besorgen landet Jo im Knast und Eva bricht bei einem Studienrat (Axel Prahl) ein, den sie fortwährend als Geisel hält. Die beiden kommen sich auf seltsame Weise näher und schmieden einen Befreiungsplan.

Aber das Melodrama macht hier nicht halt. Es dringt überall ein, in die Figuren selbst, in ihre Art wie sie sprechen, in die Logik des Films. Das muss man akzeptieren können, um den Film nicht als absurden Kitsch abzutun. Man muss akzeptieren können, dass die Dialoge „Endstufen eines Gespräches“ sind und Authentizität stets hinter die konstruierte Dramatik gestellt wird. Da kommt die Polizei schonmal wenige Sekunden nachdem sie gerufen wurde und ballert sich ungeachtet der deutschen Zaghaftigkeit wild durch den Film. Da werden ganze Leben in wenigen Minuten aufgebaut und hastig versucht die Figuren verständlich zu machen, nur um sie im nächsten Moment sofort mit der nächsten Tragödie zu konfrontieren und auseinander zu reisen .

Der Film will etwas zu viel erzählen und da er versucht seine Intensität aus möglichst vielen Brüchen möglichst vieler Figuren zu ziehen, geht das Grundthema der unbrechbaren Liebe in den emotionalen Gewittern manchmal unter. In der Visualisierung eben dieser Liebe liegt aber das formbestimmende Herz des Films. Einzig die Parallelmontage hält die Liebenden zusammen, läßt sie zusammen musizieren, obwohl sie eigentlich getrennt sind. Das sind sehr altmodisch, kitschig anmutende Szenen, die aber vor allem wegen der sehr guten Leistungen der Hauptdarsteller am Ende doch funktionieren.

Sogesehen ist der Film also ein mutiger, weil er den Zuschauer zwingt klar gekennzeichnete, filmische Mittel zu akzeptieren und hofft, dass trotz der Dominanz der Form die Emotionen ausgestanzt und fühlbar gemacht werden. Leicht macht es einem der Film nicht, aber so verlangt es wohl das Melodram. Bei Shakespeare funktioniert es ja auch.