Vier Jahre nach ihrer letzten Veröffentlichung Urlaub fürs Gehirn meldet sich eine der wenigen einzigen Hiphop-Formationen Deutschlands, die sowohl vom hiesigen Feuilleton als auch von Spieplatz-kiffenden Jugendlichen gleichermaßen gefeiert wird, mit einem Paukenschlag zurück. Ihr neuestes Werk, Hurra die Welt geht unter zelebriert nicht weniger als das Ende der Menschheit in seinen unterschiedlichsten Facetten. Natürlich ist diese Idee nicht ganz neu, aber großartig umgesetzt und trifft den wehenden Zeitgeist brutal wie eine Abrissbirne. Zugegeben, als langjähriger K.I.Z-Hörer muss man das Album vielleicht mehrmals gehört haben, bis es zündet. Denn im Vergleich zu früheren Werken kommt der K.I.Z-typische sarkastische Humor spät und die Lyrics wirken persönlicher. Das liegt sicher auch an der Entwicklung von Deutsch-Rap. K.I.Z , die selbsternannten „Erfinder von deutschem Humor“ deren bisheriges Markenzeichen immer ihr Sarkasmus und das Hochsterilisieren von (Rap)-Klischees war, probieren sich auf ihrem neuen Album mit etwas anderem aus. Vielleicht auch, weil sie alles schon einmal hatten. Es gibt einen K.I.Z-Hitler-Song (Ich bin Adolf Hitler) eine FSK-18-Version von Pippi Langstrumpf (Ein Affe und ein Pferd) und ihr letztes Album hieß: Sexismus gegen Rechts. Wie provoziert man da noch? Mit etwas K.I.Z-untypischem: Ernsthaftigkeit. So befeiern K.I.Z auf ihrem neuen Album nun das Ende der Welt.

Ernsthaftigkeit statt Ironie

Doch wie sieht dieses Ende nun aus? Es ist variabel. Sei es auf Tracks wie Ariane, welche die sexuellen Gewalt-Fantasien eines modernen Arbeitssklaven behandelt. Oder im Stalker-Drama Verrückt nach dir. Bei Ehrenlos wird der Verfall von jeglicher Moral und Anstand gefeiert („Gib mir Vodka/ Gib mir Koks/ heute Abend wird ehrenlos“). Hurra, die Welt geht unter! Was das Album so stark macht, sind die ungewohnten direkten Ansprachen, die sich in einzelnen Tracks widerspiegeln. K.I.Z waren immer DIE sarkastischen Deutsch-Rapper mit dem kranken, aber irgendwie dann doch intelligenten Humor. In Boom Boom Boom wird nun ohne viel Ironie der stumme PEGIDA-Mitläufer und der selbstzufriedene, nickende, deutsche Arbeitnehmer rigoros umgebracht. K.I.Z machen ernst. Und genau das zeigt doch, wie kaputt unsere Welt wirklich ist. Denn bei Lines wie „Ihr Partypatrioten seid nur weniger konsequent als diese Hakenkreuz-Idioten. Die gehen halt noch selber ein paar Ausländer töten anstatt jemanden zu bezahlen, um sie vom Schlauchboot zu treten“ muss man sich in seinem stillen Kämmerchen zwangsläufig mit der Frage aussetzen, welche Verantwortung man selber in dieser Welt hat und ob man nicht genau einer von denen ist, die K.I.Z im Fadenkreuz haben.

In Zeiten von brennenden Asylantenwohnheimen und fraglicher Flüchtlingspolitik treffen K.I.Z tief in das Herz der urdeutschen, merkelschen Teflon-Seele. Der Hörer wird gefordert und gequält. Aber wenn im Song Was würde Manny Marc tun? der Berliner Partyatze Manny Marc nach krass realistisch gerappten Horrorszenarien (Der pädophile Vater; der Sohn, der von der Pflege seines Vaters überfordert ist; der Flüchtling) nach bester Ballermann-Manier ein: „Null/Problemo/Alles Vergessen/Rummel Rummel/Bums Bums“ anstimmt, dann ist das zwar sehr beängstigend, aber auch real, und es macht gruseliger Weise auch noch Spaß, über die Probleme in den Zeilen hinwegzusehen. Das neue K.I.Z-Album ist kein ironisches Sarkasmus-Feuerwerk. Und das ist gut so, denn sonst wäre es einfach nur ein neues K.I.Z-Album. Mit Hurra die Welt geht unter legen die vier Berliner jetzt schon das Deutsch-Rap-Album des Jahres hin. Das ist Musik, die zum Nachdenken anregt. Die Perspektiven schafft und provoziert. Der Titel gebende letzte Track des Albums zeigt uns zuletzt, dass der Weltuntergang und der Untergang all der Großkonzerne und Pornos, die uns sagen wie wir Sex haben sollen, vielleicht das beste ist, was uns im Moment passieren kann. Und vielleicht haben K.I.Z damit im Moment sogar mehr Recht, als sie beim Schreiben des Albums jemals gedacht haben.