Wer war 2010 nicht auf einer Elektro-Party? 2010, das Jahr der elektronischen Musik. Kaum ein Hip Hop Song kommt mehr ohne elektrische Beats aus, selbst die USA scheinen endlich mit den Tönen aus dem Computer infiziert worden zu sein. Seit Kraftwerk in den 70ern damit begonnen haben eine neue Form der Musik zu spielen, hat sich viel getan. Fritz Kalkbrenners Debutalbum Here Today Gone Tomorrow ist ein auf CD gepresstes Denkmal der Clubkultur von 2010.

Der Techno war auch in den 90ern schon weit verbreitet. Hört man sich die Tracks von damals heute jedoch an, hat es nicht mehr viel mit der Musik zu tun, die wir heute in den Clubs zu hören bekommen. Der Techno hat sich in etliche Sparten geteilt und begeistert jeden Geschmack auf seine Art und Weise. Elektronische Musik ist nur der Überbegriff, wie Metal für die wilde Gitarrenmusik, die sich ebenfalls in Speedmetal, Deathmetal und zahlreiche weitere Untergruppen unterscheiden lässt. Wie auch schon in den 80ern und frühen 90ern bleibt Berlin auch ohne die LoveParade eine der großen Hauptstädte des Techno und hat mehr zu bieten als jede andere Stadt in Deutschland, wahrscheinlich sogar der ganzen Welt.

In den Berliner Clubs, wie dem Berghain, der Bar 25, dem Watergate oder in der Maria am Ostbahnhof läuft jedoch vor allem eins: Elektro. Der größte Missionar der elektrischen Musik 2010 ist Paul Kalkbrenner, der nicht nur auf auditivem Wege die Massen begeisterte, sondern auch audiovisuell als Darsteller im Film Berlin Calling. Der Film, der nicht nur die schönen Seiten der Berliner Clubszene zeigt und vor allem auf die Drogenprobleme der Szene aufmerksam macht, vermittelt einen guten Eindruck der Clubwelt. Paul spielt nicht nur die Hauptrolle im Film, sondern steuerte auch noch seine eigene Musik zu dem Film bei und machte ihn nicht zuletzt dadurch zu einem der bekanntesten Indipendentfilme 2009.

Paul Kalkbrenner begeistert die Massen, wie es noch vor einigen Jahren Paul Van Dyk oder Sven Väth taten. „Sky and Sand“ kennt so gut wie jeder, und wer hätte jemals gedacht, dass Elektro so herzzerreißend schön sein kann? Das Talent liegt in der Familie. Pauls Bruder Fritz ist auch Musiker und hat einen ähnlichen Stil wie sein Bruder. Vor einiger Zeit ist sein Album „Here Today Gone Tommorow“ rausgekommen und es kann ebenso begeistern wie Pauls „Berlin Calling“ Album.

19 Tracks warten darauf gehört zu werden. Von denen sind 7 Stück nur Skits, diese sind allerdings nicht wahllos gesetzt, sondern fügen die unterschiedlich klingenden Songs gekonnt zusammen und bereichern das Hörerlebnis. Es fällt schließlich nicht jedem leicht einen Track nach dem anderen (jeweils ca. 6 bis 7 Minuten lang) zu konsumieren. So kann man das gesamte Album von vorn bis hinten perfekt durchhören ohne zu ermüden. Das Debutalbum bietet Clubsongs genauso wie ChillOut Tracks, kann im Club genauso wie zu Haus auf dem Sofa angehört werden.

Das Album schafft es wunderschön melancholisch zu sein, ohne es irgendwie zu übertreiben und vermittelt in einigen Tracks gleichermaßen die Kraft, den Arsch aus dem Sessel zu hieven und sich meditativ dem Rhythmus zu ergeben.
Es bietet einem die Möglichkeit die Songs im Hintergrund laufen zu lassen oder auch dazu zu tanzen. „Here Today Gone Tomorrow“ ist sanfter Elektro mit leichten House- und Tranceeinschnitten, geht aber auch in die Richtung des Minimal, der minutenlang die gleichen Loops immer und immer wiederholt bis ein neuer Klang dazu kommt und das Spiel von neuem losgeht. Zu eintönig wird es dabei jedoch nie und Kalkbrenner schafft es genau abzuschätzen, wann es an der Zeit ist den Loop laufen zu lassen oder ihn zu modifizieren.

„Amy Was A Player“ zum Beispiel ist ein fast 8 Minuten langer Track, der zwar einen sehr kräftigen Bass hat und somit eher für große Clubs ausgelegt zu sein scheint, damit aber perfekt umgeht und die Pausen, in denen der Bass verschwindet und man den weiteren Klängen des Songs lauscht, hervorragend einsetzt. Das Lied scheint zu atmen und schafft es den Hörer in einen Tunnel zu ziehen, wenn er die Augen schließt. Es ist gleichzeitig so hart und so weich, so melancholisch heiß und so kalt. Ein einzigartiger Track. Ebenso begeistert „Sideways & Avenues“, dessen Trommeln tatsächlich in langen Gassen und Nebenstrassen zu verhallen scheinen. Dazu seine selbst eingesungenen, sanften Worte, die mit den so einfachen Snaps, Claps und den kurz gespielten Klaviertönen eine musikalische Reise in ein zeitloses Land ergeben.

Jeder, der der elektronischen Musik etwas abgewinnen kann oder einen sanften, zeitgenössischen Einstieg sucht, ist bei diesem Album definitiv richtig. Der Link oben gibt euch schon mal eine Kostprobe.