Bayreuth: 17. November 2013.

Auf der Leinwand auf der Rückseite der Bühne wird das Bild einer Galaxie eingeblendet. Davor steht ein mystischer Erzähler sowie maskierte Gestalten, bei denen es sich um indische Gottheiten handelt. Sanskrit, eine Inszenierung von Katja Schneider im Bayreuther Theaterraum.

Indien ist ein Land kultureller Vielfalt, doch die wenigsten Europäer kennen sich wirklich aus. Katja Schneider erwähnt es in einem Text im Programmheft: Mit Indien assoziieren heute die Meisten entweder das ‚Bollywood‘-Kino oder das ‚Holi‘-Fest, das zu einem neuen Trend geworden ist. Doch Indien hat weitaus mehr zu bieten, als nur Farbfeste und Monumental-Liebesfilme. Die wenigsten werden wissen, dass das Sanskrit-Theater eine der ältesten Theaterformen der Menschheit ist. „Sanskrit“ verweist hier auf eine Sammlung an Sprach-Varianten, in der verschiedene religiöse Stoffe und Mythen schriftlich überliefert sind. Auch der Stoff des Stücks Sanskrit entstammt aus einer dieser alten Schriften, wurde aber von der Regisseurin und Autorin Katja Schneider für ein westliches Publikum bearbeitet. Aus gutem Grund.

Das Sanksrit-Theater hat keine wirkliche dramatische Form, die man mit europäischem Theater vergleichen könnte. Zugegeben: Viele asiatische und indische Theaterformen sind in ihrer Aufführungspraxis und Dramaturgie nicht mit europäischem Theater vergleichbar. Den Stoff der Handlung nicht zu bearbeiten hätte die Folge gehabt, dass wahrscheinlich niemand dem Stück hätte folgen können. Und dann hätte man wirklich etwas verpasst.

Der bereits erwähnte Erzähler (Bianca Bender) eröffnet das Stück und führt in die Vorgeschichte ein. Dargestellt wird dies, indem die Erzählerin aus einem Buch einen Text vorträgt. Diese Rahmenhandlung wird am Ende des Stücks nochmals aufgegriffen, wodurch verstärkt gezeigt wird, das alles, was auf der Bühne zu sehen ist, eine Art Mythos, ein Stoff aus einer alten schriftlichen Quelle ist. In dieser Vorgeschichte wird geklärt, woher der König Hiranyakashipu (Johannes Gerlitz) stammt und woher er seine Macht hat. Denn er ist der König der Dämonen; er wurde bei seiner Wiedergeburt selbst zu einem Dämon, doch nachdem er gebüßt hat, darf er als König über die Erde regieren.

An dieser Stelle setzt die eigentliche Kernhandlung des Stücks ein. Hiranyakashipu regiert mit eiserner Hand über die Erde. Viele folgen ihm, doch sein Sohn sträubt sich dagegen. Deshalb will Hiranyakashipu, dass sein eigener Söhn getötet wird. Doch eine Art Aura, ein göttlicher Schutz scheint ihn zu umgeben. Und das Unheil nimmt seinen Lauf. Am Ende ist Hiranyakashipu tot, und sein Sohn hat überlebt.

Soviel zum Inhalt. Katja Schneider schreibt, dass Sanskrit von Gleichgewicht, Zerstörung und Schöpfung handelt, sowie einen Blick hinter die Fassade der Welt wirft. Aus der Originalquelle, aus der der Stoff für das Stück Sanskrit entstammt, ist noch ein Mythos über die Entstehung der Welt zu entnehmen, was wohl aus Gründen der Komplexität weggelassen wurde. Der Rest trifft auf diesen Abend zu. Am Ende ist wieder ein Gleichgewicht hergestellt, das nur durch die Zerstörung des Bösens erreicht werden konnte.

Abwechslungsreich ist der Abend. Mal klassisches Sprechtheater mit Rahmenhandlung, mal ein geheimnisvolles Mythenspiel maskierter Götter, unterlegt mit indischen Klängen, mal eine kleine Tanznummer. Gekonnt führt Katja Schneider ihr großes Ensemble über die Bühne. Gut besetzt bis in die kleinste Rolle, spielen alle überzeugend, sogar auf indisch, wenn es sein muss. Dazu kommen noch die gekonnt gesetzte Beleuchtung, die die sonst eher karge Bühne in kleine Zonen unterteilt und ein Bühnenbild im klassischen Sinne überflüssig macht. Der schnelle Wechsel zwischen den kleinen Szenensplittern und Räumen des königlichen Palastes wird dadurch ermöglich, ohne Irritation hervorzurufen. Lediglich die Diashow mit Bildern aus Indien stört etwas bei der Betrachtung des Stücks. Können doch nicht alle im Raum gleich gut die Leinwand einsehen, bietet sie auch inhaltlich nicht wirklich etwas, was man dringend braucht.

Auch wenn aus europäischer Sicht nicht ganz die indische Philosophie so klar verstanden werden kann – es liegt wohl daran, dass niemand das nötige Vorwissen hat – ist Sanskrit darüber hinaus ein spannendes Experiment gewesen, sich auch mal an fremde, exotische Stoffe zu wagen. Man ist überrascht, wie vertraut einem diese Stoffe vorkommen, obwohl man vorher noch nie etwas von ihnen gehört hat. Und das macht dieses Stück so spannend. Die Abwechslung zwischen den verschiedenen Spielweisen, die fremde Ausgangslage und die bekannte Geschichte um den Mord am eigenen Sohn. Sanskrit war ein überzeugendes Stück, ein unterhaltsamer Abend, auch wenn man sich das Schmunzeln am Ende bei den ‚Bollywood‘-Tänzen doch nicht ganz verkneifen konnte.