Das Dis+Positiv blickt freudig aufs Spielejahr 2015 zurück und präsentiert euch die Titel, die man unbedingt mitgenommen haben sollte.

Rocket League

Paul
Irgendwie hatten Autos dieses Jahr einen Lauf. Tesla präsentiert sein Model X, Mad Max: Fury Road klaut nicht nur meinen Nickname, sondern auch einen Platz in meinem Herzen und zu allem Überfluss gurkt irgendwo ein Delorean durch die Gegend. Passenderweise hat auch mein Lieblingsspiel dieses Jahr mit Autos zu tun. Rocket League heißt der Titel, in den ich 2015 über 90 Stunden Spielzeit investierte. Aber was macht die – extrem abgefahrene – Version von Autoball denn so besonders? Ein Begriff reicht: Game Feel. Die Art, auf die das Spiel ein Gefühl von Geschwindigkeit vermittelt, ohne dem Spieler dabei das Gefühl von Kontrolle zu entreißen, ist wirklich erstaunlich. Als Game Designer mag ich mir die Menge an Iterationsschritten, die für diese vollendete Balance nötig gewesen sein müssen, gar nicht ausmalen. Das Ergebnis ist eine simple Formel, die jeder versteht und die perfekt umgesetzt ist. Fußball mit Autos, mit Raketenantrieb. Warum bin ich da nicht selbst draufgekommen??

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Life is Strange

Julia
Eher durch Zufall entdeckt, ist mein persönliches Spielehighlight 2015 Life is Strange von Dontnod Entertainment. Rein objektiv betrachtet, gleicht die ganze Story mehr einer Mischung aus typischem Teenie-Film und The Butterfly Effect. Und doch liegt gerade in dieser „Gewöhnlichkeit“ die Genialität von Life is Strange, denn das Spiel umfasst Themen, die fast jeder im Alter unserer Protagonisten Max und Chloe erfahren durfte/musste: Liebe, Freundschaft, Familienprobleme, Mobbing und eben das Erwachsenwerden. Das 3D-Adventure bietet uns die Möglichkeit, durch eigene Entscheidungen und Zurückdrehen der Zeit den Verlauf der Geschichte zu verändern. Jedoch sind diese begrenzt und das sorgt des Öfteren für Tränen und Wutausbrüche. Gleichzeitig schenkt das Spiel uns zahlreiche atmosphärische Momente, in denen man einfach mal durchatmen und die wundervolle Welt von Life is Strange auf sich wirken lassen kann. Und die Welt retten kann man auch noch – muss man aber nicht.

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Metal Gear Solid V: The Phantom Pain

Steffi
„Extraction arrived at Mother Base.“
So nüchtern und mechanisch die Stimme aus Metal Gear Solid V: The Phantom Pain auch klingen mag, gefreut hat es mich trotzdem jedes Mal, wenn ich diesen Satz zu hören bekam. Juhu, endlich ist das Schaf im Hauptquartier angekommen! …Wie wohl meine bis an die Zähne bewaffnete Crew der Diamond Dogs dreingeschaut haben muss, als sie das wollige Tier aus dem Helikopter haben hüpfen sehen? Na, die wird wohl nichts mehr wundern, nachdem ich eine extrem knapp bekleidete Frau mit übernatürlichen Kräften angeschleppt und meine Waffen knallbunt gefärbt habe. Außerdem trage ich manchmal einen Hühnchenhut.
Das Spiel hat leider auch schlechte Seiten, man werfe nur einen Blick auf die eher schwache Story und – Moment, die Story ist ja nicht einmal komplett (was zum Teufel ist aus Eli geworden?)! Darüber hinaus haben mir die halbstündigen Cutscenes wahnsinnig gefehlt, in denen ich in den früheren Teilen Rotz und Wasser geheult habe (ja, der gemeine Nerd trauert so etwas hinterher). Fesselnde Woah!-Momente gab es zwar (Quarantänestation… dieses ganze Blut…), aber die hielten sich doch in Grenzen. Doch der Drang, mehr und mehr Kassetten mit 80er-Jahre-Hits zu sammeln, war einfach stärker als jeder Kritikpunkt.
Wieso ist The Phantom Pain mein Spiel des Jahres? Nun, es hat mich 77 Stunden meines Lebens gekostet, ich habe mich freiwillig stundenlang mit Snake auf den Boden gelegt und die sammelbaren Story-Tapes auf dem iDroid gehört. Ich habe so viel Bosselot (Big Boss x Ocelot) gehypet (seriously, it’s ½ canon), dass man es als ungesund bezeichnen kann. Ich habe es genossen, auf dem Pappkarton die Sanddünen herunter zu düsen und mit D-Dog Gassi zu gehen. Ach ja, und ich habe es geliebt, den Leuten so richtig in den Hintern zu treten, meine Waffen zu verbessern, gesamte Lager menschenleer zu fegen (keine Kills, die wurden alle rekrutiert, ich schwöre!), eine Armee aufzustellen und einen Metal Gear zu zerstören! Danke, Hideo Kojima! (Nicht Konami. NICHT KONAMI.)

OvEDghh

Dragon Age: Inquisition – Trespasser

Lony
Für Freunde des gepflegten Rollenspiels war 2015 ein großartiges Jahr. Japanophile Gamer freuten sich über den längst überfälligen weltweiten Release von Final Fantasy Type-0 (sogar in HD) und die einsamen Wölfe unter den Rollenspielfans fieberten dem November entgegen, um sich endlich wieder in den Weiten des Fallout-Universums verlieren zu können – naja, zumindest diejenigen, die bis dahin schon mit den Abenteuern eines anderen namhaften weißen Wolfes abgeschlossen hatten. Tja, und was mache ich, während alle anderen um mich herum sich auf ihre Chocobos schwingen, den Pip-Boy um den Arm schnallen und losziehen, um den König der wilden Jagd und das Herz so mancher schnippischen Zauberin zu bezwingen?  Ich sitze zufrieden vor meinem Rechner und verpasse gerne hunderte Stunden voller Spaß, Mutanten und Geisterbabys, denn mit einem Bein hänge ich immer noch im Jahr 2014 und spiele Dragon Age: Inquisition. Daher ist mein persönliches Highlight dieses Jahres weder ein weiterer Final Fantasy-Ableger, noch das viel gehypte Fallout 4, und auch dem letzten Teil der Witcher-Reihe habe ich – vorerst – den Laufpass gegeben (sorry, Geralt, aber eine Frau muss es ja geben, die deinem Charme wenigstens ein bisschen widerstehen kann, oder?).

Viel mehr gepackt hat mich der DLC Trespasser („Eindringling“ für deutsche Spieler), der letzte DLC für Dragon Age: Inquisition. Das ist zum einen bezeichnend, weil wir Fans der Reihe jetzt wohl erst einmal wieder einige Jahre warten müssen, bis wir erfahren, wie es mit der Welt von Thedas weitergeht. Zum anderen lieferte dieser DLC endlich – ENDLICH! – die Auflösung für viele der Fragen, die uns Spieler seit dem Ende des Hauptspiels umtrieben. Wobei… “Auflösung” ist vielleicht ein etwas starkes Wort. Wie für Dragon Age üblich hinterließ mich auch Trespasser mit mehr Fragen als Antworten, aber wenigstens habe ich jetzt eine vage Vorahnung, was mich denn im nächsten Teil erwartet und wohin die Reise geht (Tevinter. TEVINTER. Ich meine: FUCK YEAH, TEVINTER!). Aber abgesehen davon war Trespasser wunderbar erzählt und – ohne hier zu viel zu spoilen – es hat sich ein bisschen wie Heimkommen angefühlt. Knapp zwei Spieljahre nach der Hauptkampagne trifft man unheimlich viele Charaktere wieder, die man lieben, aber auch hassen gelernt hat. Und zwischen politischen Intrigen, Kämpfen auf Leben und Tod, und dem Ergründen uralter magischer Geheimnisse, hat Trespasser sich dennoch den für Dragon Age typischen Humor bewahrt. Ich habe selten so viel gelacht wie beim legendären Spa Day, oder dem Versuch, den riesigen Schädel eines Drachens ungesehen durch eine volle Taverne zu schmuggeln.

Für mich war Trespasser ein wunderbarer Abschluss von Dragon Age: Inquisition und von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt, bin ich durch alle Spektren der Gefühlspaletten mitgegangen. Auch Material für Spekulationen über den nächsten Teil und die Geschehnisse, die Thedas in Zukunft erschüttern werden, gab es zur Genüge. Vor allem aber kann ich das Spiel jetzt mit dem guten Gefühl weglegen, wirklich alles gesehen, erlebt und abgeschlossen zu haben – sowohl was die Charaktere als auch die Zukunft meiner Inquisition betrifft. Daher sticht für mich dieser kleine, nur knapp 6 Stunden lange DLC definitiv aus der überwältigenden Flut an neuen Titeln heraus. Einfach, weil ich mich in der Welt von Thedas so wohlfühle und sie jetzt verlassen kann – mit der Sicherheit, in nicht allzu ferner Zeit wieder zurückzukehren, um das nächste welterschütternde Übel zu vernichten. Außerdem habe ich Cullen auf einem Pferd reiten sehen – was gibt es schon Schöneres für uns Mädels? Wieder ein Punkt weniger auf der Löffel-Liste. In diesem Sinne: „bear your blade and raise it high.“
Und an alle sad and angry Lavellans da draußen: Wir sind bei euch!

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The Witcher 3: Wild Hunt

Finn
Ein Spiel des Jahres auszuwählen, ist eine sehr undefinierte und unbefriedigende Aufgabe. Woran mache ich diese folgenschwere Entscheidung fest? Ist es das Spiel, das mich am längsten beschäftigt hat? Das am meisten innovative? Oder ist es das, was mich stundenlang hat grübeln lassen?
Aus all den im Jahr gespielten Spielen eines, das besonders hervorgestochen ist, auszuwählen, fällt mir Jahr für Jahr schwerer. Ich habe eben nicht, wie noch zu Kindestagen, zwei Spiele pro Jahr und kann dann zur Auswahl eine Münze werfen. Die momentane Spieleauswahl ist – vor allem nach einem Steam-Sale – schier grenzenlos. Und alle beschäftigten mich auf ihre eigene ganz spezielle Weise. Während ich nun den gefühlt 200sten Guide zu Dota lese, im Hintergrund der Undertale-Soundtrack läuft und in meinen Lesezeichen mindestens drei The Beginner’s Guide-Theorien vermerkt sind, stellt sich für mich die Frage nach (m)einem Spiel des Jahres.
Jedoch ist dieses Jahr die Antwort für mich sofort klar: The Witcher 3: Wild Hunt. Ein Spiel, welches es schafft, mich so in seinen Bann zu ziehen, dass ich zwei Wochen an meinen Bildschirm gefesselt bin (mein soziales Leben komplett vernachlässigend und Vorlesungen als Nicht-Existent betrachtend), hat diesen Titel allemal verdient. ‘The Witcher’ gab mir mit seiner glaubwürdigen, von unzähligen Fabelwesen bewohnten Welt die perfekte Spielwiese für mein achtjähriges Ich. All die Freiheit, die ich mir damals beim Spielen von ‘Hobbit: A prelude to the Lord of the Rings’ nur vorgestellt habe, war mir hier auf einmal gegeben. Ein charismatischer Hauptcharakter, das düstere Märchen-Setting sowie die interessante Geschichte, überzeugten mich nun vollends von meiner Wahl. Ein Spiel, das ich – gegen meine Prinzipien – am Tag vor Erscheinen vorbestellt und bis heute nicht bereut habe.

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Bloodborne und Her Story

Felix
Die Detektivspiele Her Story und Bloodborne waren 2015 die besten Vorbilder, wie Videospiele ihre Geschichten wie kein anderes Medium erzählen können.
Im blutrünstigen Actionslasher von From Software lassen wir zwar die Waffen sprechen, doch erzählerisch sprechen Level- und Gegnergestaltung Bände, die in einfältigeren Spielen noch in stundenlangen Dialogen vorgetragen würden. Hier stellen sich mir keine Zwischensequenzen in den Weg, sondern überwältigende Bossmonster, Horden von bestialischen Menschen und allzu menschlichen Bestien. Dass man sich die Tragödie Yharnams beinahe instinktiv zusammenreimen kann, zeugt vom Erfolg des durch und durch konsequenten Designs. Und während wir gen Kosmos betende Statuen untersuchen, literarisch-kryptische Itembeschreibungen entschlüsseln und tausendäugige Scheusale bestaunen, beschleicht einen der Horror, dass unser Wissensdurst der fatalen Neugier der Stadtbewohner gar nicht so unähnlich ist.
Noch radikalere Nonlinearität konnte sich dann Ein-Mann-Entwickler Sam Barlow mit seinem Indieprojekt Her Story erlauben. Der Spieler durchforstet mit Schlagworten eine Polizeidatenbank, um in kurzen Interviewclips vom Verschwinden eines Ehemannes zu erfahren. Was das Ganze so genial macht, ist, dass man nur die Aussagen der Ehefrau erfährt, ergo Her Story, und die einzelnen Verhörvideos kaum länger als 10 Sekunden dauern, man aber trotzdem früher oder später den Tathergang per Kopfkino zusammenpuzzlen kann. Dabei gibt’s Twists und Aha!-Momente, die sich kaum vor Hitchcockthrillern zu verstecken brauchen. Einzigartig fürs Medium des Videospiels, gibt allein die Cleverness des Spielers das Erzähltempo vor – an keiner Stelle posaunt ein Autor: “Ok, so ist es wirklich passiert. Jetzt hast du den Fall gelöst.” SO verpackt man ein Mystery, Herr J.J. Abrams.

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