Am Sonntag, den 12. Februar 2012 feierte das älteste Großatelierfilmstudio der Welt seinen 100-jährigen Geburtstag. 100 Jahre Filmstudios Babelsberg lassen uns auf eine vielschichte und spannende Geschichte des Films zurückblicken. Von Fritz Langs „Metropolis“ über Josef von Sternbergs „Der blaue Engel“ bis hin zu Tarantinos „Inglorious Basterds“, um nur mal eine kleine Auswahl der dort produzierten Filme zu nennen. Auch in der Zeit des Nationalsozialismus hatten die Filmstudios in Babelsberg Hochkonjunktur. Über 100 Propagandafilme, unter anderem „Jud Süß“ wurde dort gedreht. Beinahe sarkastisch erscheint es da, dass auch einer der bekanntesten Holocaustfilme gerade an diesem Ort entstand. Anlässlich des 100. Jubiläums Babelsberg war am Sonntagabend  auf 3Sat Roman Polanskis „Der Pianist“ zu sehen.

„Der Pianist“ basiert auf der Autobiographie des jüdischen polnischen Pianisten Władysław Szpilman, der im Alter von 88 Jahren, nur zwei Jahre vor der Verfilmung seiner Memoiren, verstarb.
Die Handlung des Films ist chronologisch angeordnet. Sie beginnt 1939 mit dem Einmarsch der deutschen Truppen in Warschau und endet mit der Befreiung der Stadt durch die rote Armee 1945. Während des Films werden immer wieder Jahreszahlen eingeblendet, was einem als Zuschauer eine sehr gute Orientierungshilfe ist.

Die Leidensgeschichte des jungen Władysław Szpilman (Adrien Brody) beginnt als die deutschen Truppen in Warschau einmarschieren. Zusammen mit seinen Eltern und seinen drei Geschwistern muss er bald ins Warschauer Ghetto umsiedeln. Die Qualen der Menschen, die in dem knapp bemessenen Teil der Stadt zusammengepfercht sind, sind unwahrscheinlich.
„Der Pianist“ schildert das Grauen des Nationalsozialismus so realistisch und neutral, dass es zu einer absurden Normalität wird. Auch wenn Polanski die typischen Klischees, des sadistischen deutschen Soldat, der willkürlich Menschen erschießt, bedient, gelingt es ihm trotz allem diese nicht übermäßig hochzustilisieren. Die radikalen Szenen halten sich daher in Grenzen, doch die vorhandenen sind so nüchtern und brutal, dass man nicht viel fassungsloser zurückbleiben könnte.

Bald schon kommt es zu den ersten Transporten in die sogenannten „Arbeitslager“. Szpilman selbst entgeht dem Vernichtungslager nur knapp. Nachdem er mit Hilfe eines befreundeten polnischen Paares aus dem Ghetto entkommen kann, beginnt für ihn ein Versteckspiel um Leben und Tod. Mehrmals muss er sein Versteck wechseln, leidet Hunger und erkrankt an Gelbsucht. Aus den Fenstern seiner Unterschlüpfe beobachtet er den Kampf der Deutschen gegen die Polen.
Die oft kritisierten Längen des Films sind von Polanski doch sehr bewusst eingesetzt. Szpilman musste sich monatelang versteckt halten, niemand durfte ihn bemerken, er war kontinuierlich in Lebensgefahr. Die längeren Sequenzen mit Adrien Brody in seinen Verstecken symbolisieren genau dieses elendige Warten in Todesangst und sind daher unerlässlich.

Während eines Angriffs wird sein Versteck gesprengt. Szpilman gelingt erneut die Flucht. Geschwächt von Krankheit und Hunger wandelt er durch das völlig zerstörte Warschau. Auf der Suche nach etwas Essbarem irrt er durch die leergefegten Häuserruinen und trifft schließlich auf den deutschen Offizier Wilm Hosenfeld (Thomas Kretschmann). Hosenfeld versorgt Szpilman mit Lebensmitteln und lässt es zu, dass der Pianist sich bis zur Befreiung Warschaus in einer Dachruine versteckt hält.
Der Höhepunkt des Films findet sich unumstritten in dieser Begegnung, als Szpilman von Wilm Hosenfeld aufgefordert wird für ihn Klavier zu spielen. Der verwahrloste Mann, der nicht mal in Ansätzen mehr aussieht wie ein Pianist setzt sich ans Klavier und stimmt Chopin an. In diesem Spiel löst sich der ganze Schmerz der letzten Jahre, sein eigener und auch der seines Volkes. Das plötzliche Erklingen der Musik in diesem Film, der zuvor auf Musik und Geräusche so gut wie verzichtet hat, berührt tief. Nicht nur den Zuschauer sondern auch den deutschen Soldaten, der während des Spiels eine Art Bewusstwerdung seiner Schuld durchlebt.

Dieser Film ist ganz großes Kino. Mit einem zu Recht Oskar gekrönten Adrien Brody, der durch seine stoische, wie paralysiert wirkende Spielweise den stillen Schrecken des Holocausts zu dieser Zeit, beeindruckend symbolisiert. In unserer Zeit der emotionalen, gesellschaftlichen Aufarbeitung kann sich dieser Film mit Sicherheit neben Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ und Spielbergs „Schindlers Liste“ in die Reihe der bedeutenden Holocaustdramen einreihen.