Was macht ein Festival aus? Im Prinzip immer das gleiche: ein Thema, ein paar Bühnen hier, ein paar (viele) Verkaufsstände für Tand und Krempel dort, jede Menge Künstler und natürlich – ein Publikum.

Das größte Sambafestival in Europa soll es sein, bei dem die Coburger jährlich für einige Tage die ganze Innenstadt mit Brasiliens Flaggen und Farben schmücken und eine riesige Show auf die Beine stellen. Heuer war der 20. Jahrestag der großen Sause. Sogar ein brasilianisches Fernsehteam war dazu angereist.

Die Veranstalter hatten auf ihrer Homepage mit „brasilianischen“ Stargästen wie Fußballer Giovane Elber und DSDS-Jurorin Fernanda Brandao geworben. Das einzig brasilianische an letztgenannter Dame dürfte ihr Name sein. Sie langweilte hauptsächlich mit banal heruntergespulten Sätzen und einem festgetackerten Lächeln. Nach einem züchtigen „Bein an Bein“-Sambalein war es das dann auch mit den Auftritten dieser beiden Medienprodukte. Dann ging es ab in die VIP-Lounge und sie waren nie wieder gesehen.

Über 3000 „Sambistas“ hatten sich in der Herzogstadt versammelt. Unzählige Trommlertruppen aus ganz Europa, zum großen Teil aber aus Deutschland und vor allem Bayern, füllten die Gassen und brachten mit ihren Rhythmen die Luft zum Vibrieren. Auch die Bayreuther Gruppe Afrosamba war mit von der Partie. Eine der eher wenigen, die wussten, wie man gute Stimmung verbreitet. Denn wenn es an allen Ecken und Enden trommelt, sollte man wissen, wie man sich von den anderen abhebt. Die einen würzten ihren Auftritt exotisch mit einer Jodeleinlage, die schwedische Truppe kiriaki mit ordentlich Schwung in der Hüfte und wieder andere holten sich ihre eigenen Tänzerinnen auf die Bühne. An sich wurde sehr viel getrommelt und eher weniger getanzt, als man das vom Samba erwarten könnte.

Und woran lag’s?

An der essentiellsten Zutat eines Festivals – dem Publikum. Was zum heiligen Sambagott war mit diesen Zuschauern los?

Ana Paula Evangelista, die unangefochtene, zweimalige Sambakönigin Rios, eine der schönsten Frauen dieses Universums mit dem wiegenden Hüftschwung schmelzenden Karamells, mit dem Selbstbewusstsein von 100 Elefanten – hätte sie sich heulend von der Bühne gestürzt und sich gefragt, was zum Teufel sie gerade falsch gemacht habe und wo der nächste tiefe Fluss sei, in dem sie ihr Federkostüm und anschließend sich selbst ertränken kann – man hätte sie verstanden.

Was soll man von einem Publikum halten, für das das höchste der Gefühle ein gelegentliches Zucken im Knie ist, das für den außenstehenden Beobachter eher wie ein Nervenleiden aussieht, denn wie leidenschaftliche Begeisterung für diese Musik und dieses Lebensgefühl?

Was, ja was soll man von einem Publikum halten, das erst richtig abgeht, wenn eine Schweizer Big Band(!) mit unterirdischem Können anfängt, in falschen Takten Rhianna- und Robbie Williams-Hits zu posaunen? Frei nach dem Motto, „Was der Bauer net kennt, des frisst er net!“ stürzte sich dieses Publikum wie ausgehungert auf die einzigen vertrauten Melodien dieses Abends, als hätte es viele Stunden in Fesseln gelegen, nach Bewegung gelechzt und als könnte es sich erst jetzt so richtig austoben.

Mein herzliches Beileid, liebe Franken. Ein Festival mit viel Potenzial. Das einzige, was fehlte war ein Publikum, das so etwas verdient hat.

Eine Erklärung für das professionelle Verhalten der Sambaqueen gibt es, sie ist offensichtlich: die unangefochtene, zweimalige Sambakönigin Rios, eine der schönsten Frauen dieses Universums mit dem wiegenden Hüftschwung schmelzenden Karamells, mit dem Selbstbewusstsein von hundert Elefanten – sie hat das Selbstbewusstsein von hunderttausend Elefanten. Und sie weiß, dass Coburgo nie Rio sein wird.

Arrrrriba!